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Granger Ann - Varady - 05

Titel: Granger Ann - Varady - 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Und hute dich vor deinen Feinden AEA4CEC7
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jemandem, der weiß, dass er sterben wird, bindend ist
und dass eine Aussage, die auf dem Totenbett gemacht
wurde, vor Gericht zulässig ist. Ion hatte nicht gewusst, dass
er sterben würde, als er die Rolltreppe zum Bahnsteig hinuntergefahren war. Doch er hatte gewusst, dass er in einer
gefährlichen Unterwelt lebte – einer Welt, in der sein Bruder bereits verschwunden war. In dieser Hinsicht hatte er
gewusst, dass er mit dem Tod auf der Schulter lebte. Er hatte
mich mit der Suche beauftragt, und sie lastete auf mir wie
ein ungewünschtes Vermächtnis. Es war genauso bindend
für mich, als hätte er seinen Wunsch auf dem Totenbett
ausgesprochen. Ich hatte gar keine andere Wahl. Ich musste
diesen Max finden. Ich musste diesen Max finden, und ich
musste es so anstellen, dass ich bei meiner Suche nicht selbst
zum Opfer wurde.
Hatte ich vielleicht im Verlauf meiner erfolglosen Erkundigungen den ein oder anderen fatalen Bock geschossen? Ich
dachte angestrengt über meine letzten Bewegungen nach
und fragte mich, ob ich irgendetwas getan hatte, das die
Aufmerksamkeit derer auf mich gelenkt haben könnte, die
Ion beseitigt hatten. Der riskanteste Zug war vielleicht gewesen, mit Wally zu reden und ihm von dem Jungen zu erzählen – insbesondere ihm zu verraten, dass Ion seinen Bruder
suchte. Doch ich glaubte nicht, dass Wally es irgendjemand
anderem weitererzählt hatte. Soweit ich wusste, redete er
mit niemandem außer mit Jimmie. Abgesehen davon, sobald Wally die geklaute Flasche Rotwein ausgetrunken hatte, würde er sowieso vergessen haben, dass ich je unten im
Keller gewesen war.
Ich hatte noch immer die Papiertüte des Schnüfflers mit
der Tube Was-auch-immer in der Hand. Ich sah, wie Erwin
die Tüte mit einem merkwürdigen Blick bedachte.
Ich hielt sie hoch. »Das ist nicht meine«, sagte ich. »Ich
habe sie vor fünf Minuten hinten in der Gasse einem Jungen
abgenommen.«
»Da treiben sich ständig irgendwelche Kids rum und
schnüffeln dieses Zeug«, sagte Erwin. »Sei lieber vorsichtig,
hörst du? Gut möglich, dass er nicht alleine ist und seine
Freunde sich in der Dunkelheit verstecken.«
»Ich weiß. Es ist nur … Es hat mich stinkwütend gemacht«, sagte ich. Es gelang mir, einen natürlichen Klang in
meine Stimme zu legen. »Hübsches Kostüm, Erwin«, bemerkte ich.
Erfreut nahm Erwin die Brille herunter, die oben auf seinem Kopf geklemmt hatte, und setzte sie auf. »Ein Mann
muss eben Stil haben«, informierte er mich. »Hey, ich bin
mit deiner Töle im Park gewesen und hab sie mit einem Ball
gescheucht. Sie hatte eine Menge Spaß beim Jagen.«
Ich dankte ihm und winkte ihm und dem Rest der Band
hinterher, als sie in dem klapprigen Wagen davonfuhren.
Dann ging ich ins Haus, warf die Papiertüte samt Inhalt
in meinen Mülleimer in der Küche und schaffte es gerade
rechtzeitig ins Badezimmer, um mich zu übergeben.
    Ich verbrachte eine elende Nacht ohne Schlaf. Bonnie spürte
instinktiv, dass irgendetwas Furchtbares passiert sein musste. Sie hing an mir wie eine Klette und beobachtete mich mit
besorgten braunen Augen. Ich wusste, dass ich am nächsten
Tag unmöglich arbeiten gehen konnte. Ich fühlte mich innerlich und äußerlich erschüttert. Meine Hände zitterten,
und mein Magen rebellierte. Ich konnte meine Gefühle
unmöglich verbergen.
    Früh am Samstagmorgen ging ich zum Zeitungsladen.
Ich wusste, dass ich aussah wie der Tod persönlich. Ganesh
warf nur einen Blick auf mich und sagte zu seinem Onkel
Hari: »Ich mache zehn Minuten Pause. Bin gleich wieder
da.«
    Hari, wie üblich damit beschäftigt, jeden anderen Kunden im Auge zu behalten, während er gleichzeitig den einen
am Tresen bediente, stieß einen erschrockenen Laut aus.
»Was denn? Jetzt? Muss das sein?«
    Ganesh antwortete irgendetwas auf Gujerati, packte mich
am Arm und zog mich mit sich hinauf in die Wohnung über
dem Laden.
    Ich ließ mich auf das abgewetzte rote Samtsofa fallen.
»Gan, tust du mir einen Gefallen? Rufst du in der Pizzeria
an und sagst ihnen, dass ich krank bin und heute nicht zur
Arbeit kommen kann?«
    Ohne ein weiteres Wort nahm Ganesh den Telefonhörer
zur Hand und wählte. Ich lauschte seiner knappen Erklärung. »Sie ist krank, okay? Sie hat sich erkältet. Einer der
Typen von diesem Stück war bei der letzten Probe total verschnupft, und jetzt hat sie sich auch angesteckt. Sie hustet,
und ihre Nase läuft andauernd. Sicher möchtest du nicht,
dass sie in diesem Zustand die Gäste

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