Granger Ann - Varady - 05
Morgan persönlich stand auf meiner
Schwelle. Ich musste sie hereinlassen. Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir wollte, doch mir hätte nach meiner
kurzen Unterhaltung mit Parry klar sein müssen, dass dieser
Besuch bevorstand. Es war dumm von mir gewesen zu glauben, ich könnte Janice Morgan allein dadurch entgehen,
dass ich die Einladung zu einem Besuch auf der Wache und
einer Unterhaltung bei einer Tasse Tee ausschlug.
»Tut mir leid, von Ihrer Erkältung zu hören, Fran«, begann sie, kaum dass sie den Fuß über meine Schwelle gesetzt
hatte. Sie hielt mir eine Plastiktüte hin. »Ich habe Ihnen ein
paar Zitronen mitgebracht.«
Ich bedankte mich artig. Inspector Morgan musterte
mich von oben bis unten und stellte fest: »Sie sehen wirklich
fertig aus.«
»Ich fühle mich auch so.«
»Nur von der Erkältung?«, fragte sie. Sie war ein ganzes
Stück wacher als Parry. Ich nehme an, deswegen ist sie auch
Inspector und er nur Sergeant.
Wenn ich sage wacher, dann nehme ich ihren Geschmack
für Kleidung ausdrücklich davon aus. Sie könnten fragen –
mit einiger Berechtigung –, wer ich bin, dass ich Kritik übe.
Die meisten meiner Klamotten stammen aus dem OxfamLaden oder jener Art von Geschäften, wo die Etiketten aus
den Sachen herausgetrennt sind. Doch Morgan verdient genügend Geld, um sich anständige Klamotten zu leisten, und
was kauft sie sich? Stinklangweiliges Zeugs von Home
Counties – langweilige Jacken, grässliche Röcke, zweckmäßige Schuhe. Ich schätze sie auf Mitte dreißig, aber wie sie
sich anzieht, sollte man glauben, dass sie zwanzig Jahre älter
ist. An diesem Tag trug sie ein tristes graues Wollkostüm
und eine weiße Bluse. Sie sah aus wie jene Sorte Kindermädchen, die von Oberklasse-Familien angestellt werden,
um die Nachkommen zu beaufsichtigen. Ich weiß, warum
sie so rumläuft. Sie will ernst genommen werden. Sie will die
Art von sexueller Belästigung vermeiden, die in einer Kantinenkultur, wie sie bei der Polizei herrscht, immer noch an
der Tagesordnung ist. Ich begriff nicht, wieso sie sich inzwischen nicht sicher genug fühlte, um ein wenig mehr zu wagen.
»Wie ich höre, machen Sie bei einem Theaterstück mit«,
bemerkte sie und ließ sich auf mein Sofa nieder, als beabsichtigte sie zu bleiben. Sie gehörte offensichtlich zu der
Sorte von Leuten, die mein Zuhause als eine Art Liberty
Hall betrachteten.
Ich murmelte, dass ich tatsächlich auftreten würde und
mir meine Erkältung bei den Proben zugezogen hätte.
»Wie geht es voran?« Ihr Tonfall war die reinste Unschuld. Damit kam sie bei mir nicht weit. Sie war dienstlich
hier und nicht auf Besuch bei den Armen und Bedürftigen.
»Ganz gut«, antwortete ich müde.
»Das Stück wird im Veranstaltungsraum des Rose Pub
gegeben, richtig?«
Ich nickte stumm. Inspector Morgan hatte ihre Hausaufgaben gemacht, und wahrscheinlich wusste sie genauso viel
über das Stück wie ich. Doch sie wollte Konversation betreiben, und ich tat mein Bestes, ihr den Wunsch zu erfüllen.
»Freddy – der Wirt vom Rose Pub – er ist süchtig nach Theater. Er verlangt kein Geld von uns für die Bühnenmiete oder
so. Es war im Gegenteil seine Idee, dass wir bei ihm spielen.
Er hat einen Freund, der Zimmermann ist und ein paar Requisiten für uns baut. Freddy macht jedes Jahr so eine Veranstaltung. Das Stück wird seine neueste Produktion.«
Sie sagte Gott sei Dank nicht, dass sie zur Aufführung
kommen würde. Außerdem schätzte ich, dass inzwischen
jeder freie Platz im Haus für irgendeinen Bekannten oder
Verwandten der Truppe reserviert war.
Stattdessen sagte sie: »Es ist nett, dass der Wirt etwas für
die einheimische Gemeinde tut.«
»Oh, Freddy macht ständig solche Sachen«, erwiderte ich
beiläufig. »Er richtet Wohltätigkeitsveranstaltungen aus und
bringt Leute dazu, Geld für gute Zwecke zu spenden, indem
sie beispielsweise den ganzen Tag lang in einer Badewanne
mit gebackenen Bohnen sitzen. Freddy selbst hält sich dabei
immer im Hintergrund. Er nimmt nie an den Aktionen teil;
er organisiert sie nur. Ich schätze, die einheimischen Geschäftsleute ducken sich schon und laufen weg, sobald
Freddy mit einer neuen fantastischen Idee bei ihnen aufkreuzt.«
»Und jetzt hat er Sie und Ihre Freunde dazu überredet,
ein Stück zu spielen?«, fragte sie lächelnd.
»Genau. Wir arbeiten alle wie die Verrückten daran. Marty, der Regisseur und Autor des Stücks – na ja, eigentlich ist
es eine Adaption von Arthur Conan
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