Grant County 03 - Dreh dich nicht um
hatte Gewebe und Organe untersucht, und Brock hatte Urin- und Blutproben genommen, die sie ausgiebig untersuchen konnte. Es gab wirklich nichts, das sie noch an ihm zu schaffen hätte.
Sara sagte: »Eigentlich kannst du ihn jetzt schon haben.«
»Im Ernst?«
»Ja«, sagte Sara. Sie konnte den Platz im Kühlschrank gut für die nächste Leiche gebrauchen.
»Falls dir später noch was einfällt, kann ich ihn dir morgen nach der Trauerfeier nochmal vorbeibringen«, bot Brock an. »Er soll erst mittags ins Krematorium gebracht werden.«
Er wurde leiser. »Ich bin beim Verbrennen gern dabei, damit alles seinen geordneten Gang geht, weißt du. Die Leute sind ein bisschen nervös geworden, was Krematorien angeht, nach dem, was dieser Witzbold in Nord-Georgia angestellt hat.«
Sara erinnerte sich an das Krematorium in Familienbesitz, wo man die Leichen einfach im Hinterhof gestapelt hatte, anstatt sie zu kremieren. Den Staat hatte es fast zehn Millionen Dollar gekostet, die Überreste identifizieren und wegräumen zu lassen.
Brock sagte: »Wirklich eine Schande. So eine saubere Methode. Nicht, dass ich gerne auf das Extra-Geld der Erdbestattungen verzichte, aber manche Leute sind so durcheinander, dass der schnelle Weg oft der beste ist.«
»Meinst du Andys Eltern?« Sara fragte sich, ob Keller seine Frau vor Brock bedroht hatte.
»Sie kamen gestern Abend zum Gespräch, und glaub mir …« Brocks Stimme verlor sich. Er war sehr diskret, doch Sara brachte ihn meistens zum Reden.
»Und?«
»Na ja …« Er wurde noch leiser. Brock wusste besser als jeder andere, dass seine Mutter in der Gerüchteküche von Grant County die Chefköchin war. »Seine Mama hatte Bedenken, ihn nach der Obduktion kremieren zu lassen. Sie dachte, das ginge dann nicht mehr. Gott, wo haben die Leute bloß diese Ideen her?«
Sara wartete.
»Ich hatte das Gefühl, dass sie von der Vorstellung von Anfang an nicht begeistert war. Aber dann hat sich Daddy eingemischt und gesagt, der Junge habe es so gewollt und deshalb werde es auch so gemacht.«
»Wenn es sein Wunsch war, sollte er respektiert werden«, sagte Sara. Auch wenn sie die ganze Zeit mit dem Tod zu tun hatte, war es ihr nie in den Sinn gekommen, irgendjemand darüber zu informieren, wie sie beerdigt werden wollte. Allein der Gedanke machte ihr Gänsehaut.
»Manche Leute betreiben ihre Bestattungsvorsorge mit einer Leidenschaft«, Brad kicherte in sich hinein. »Junge, ich könnte Geschichten erzählen! Du machst dir keine Vorstellung, was manche Leute so mit in den Sarg nehmen wollen …«
Sara schloss die Augen. Sie hoffte sehr, er würde sie verschonen.
Brook deutete ihr Schweigen richtig und fuhr fort. »Ehrlich gesagt, wo sie doch Juden sind, Gott segne sie, hatte ich erwartet, dass sie das Ganze eher beschleunigen wollen. Aber dann war doch alles wie üblich. Schätze, sie sind nicht besonders religiös. Da habe ich ganz andere kennen gelernt.«
»Hm«, meinte Sara. Als Gerichtsärztin hatte sie es nur einmal erlebt, dass eine Obduktion von einer Familie orthodoxer Juden angefochten wurde. Sara hatte Hochachtung vor ihrer Frömmigkeit, doch sie nahm an, die Tatsache, dass der Vater an einem Herzinfarkt gestorben und nicht absichtlich mit dem Auto in den See gefahren war, hatte die Angehörigen am Ende dann doch auch getröstet.
»Also schön …« Brock räusperte sich verlegen, anscheinend fasste er ihr Schweigen als Missbilligung auf. »Ich bin in ein paar Minuten da.«
Sara legte auf, setzte die Brille auf und sah sich die restlichen Notizen an. Das übliche Rauschen in der Leichenhalle wurde jetzt vom Klicken und Blitzen der Kamera unterbrochen, als Carlos die Leiche fotografierte. Bei der letzten Notiz blieb Sara hängen, sie hatte den Pharmavertreter verpasst. Enttäuscht dachte sie daran, dass sie sicherlich mehr Gratisproben für ihre Patienten herausgeholt hätte, wenn sie persönlich mit ihm gesprochen hätte.
Er hatte die schicke Broschüre eines Asthmamittels da gelassen, das gerade erst für Kinder freigegeben worden war. Tatsächlich verschrieben Kinderärzte den Inhalator seit Jahren auch für Kinder; die Pharmakonzerne benutzten die neue Zulassung nur, um ihre Patente zu verlängern, damit sie die Kunden weiterhin zur Kasse bitten konnten, ohne sich den Gewinn mit den Herstellern von Generika teilen zu müssen. Sara dachte oft, dass die Konzerne die Preise der Medikamente sehr viel niedriger ansetzen könnten, wenn sie auf Hochglanzbroschüren und teure
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