Grant County 03 - Dreh dich nicht um
wieder in die Akte.
»Die sind ja schnell fertig geworden«, sie deutete auf die Tatortfotos.
»Brad war selbst in der Dunkelkammer«, erklärte er.
»Und nächstes Mal solltest du besser aufpassen, wenn du vorm Revier einen U-Turn machst.«
Sie grinste unschuldig, dann warf sie einen Blick auf die Papiertüte. »Was ist da drin?«
»Verschreibungspflichtige Medikamente«, sagte er und schüttete den Inhalt auf dem Schreibtisch aus. An dem schwarzen Staub auf den Behältern sah Sara, dass sie bereits auf Fingerabdrücke untersucht worden waren. Es mussten mindestens zwanzig Fläschchen sein.
»Die haben alle dem Opfer gehört?«
»Zumindest steht sein Name drauf.«
»Antidepressiva«, stellte Sara fest, als sie die kleinen Fläschchen der Reihe nach aufstellte.
»Er hat sich Ice gespritzt.«
»Gut aussehend und intelligent«, kommentierte Sara trocken. Sie versuchte, die Medikamente in Gruppen aufzuteilen. »Valium, was bei Antidepressiva kontraindiziert ist.«
Sie las sich die Rezeptetiketten durch, der verschreibende Arzt war auf allen Etiketten derselbe. Der Name sagte ihr nichts, die Rezepte dagegen ließen alle möglichen Alarmglocken schrillen.
Sie las laut: »Prozac, fast zwei Jahre alt. Paxil, Elavil.« Sie betrachtete die Daten. »Sieht aus, als hätte er alles ausprobiert und ist dann bei Zoloft hängen geblieben – « Wieder hielt sie inne. »Wow!«
»Was denn?«
»Er hat dreihundertfünfzig Milligramm Zoloft am Tag genommen. Das ist wirklich viel.«
»Was wäre denn normal?«
Sara zuckte die Schultern. »Ich verschreibe meinen Kindern das Zeug nicht. Ich schätze, für einen Erwachsenen sind vielleicht fünfzig, höchstens hundert Milligramm normal.«
Sie ging die Flaschen weiter durch. »Ritalin natürlich. Mit dem Zeug wurde seine Generation praktisch großgezogen. Noch mehr Valium, Lithium, Amantadin, Paxil, Xanax, Cyproheptadin, Buspiron, Bupropion, Buspar, Elavil. Nochmal Zoloft. Und nochmal.« Sie stellte die drei Zoloft-Fläschchen zusammen. Die drei waren von unterschiedlichen Apotheken und trugen unterschiedliche Daten.
»Wofür sind die ganzen Pillen?«
»Ursprünglich? Gegen Depressionen, Schlaflosigkeit, Angstzustände. Sie sind alle gegen dieselben Symptome, aber sie haben unterschiedliche Wirkungsweisen.« Sie rollte mit dem Stuhl zurück und nahm das Arzneimittelverzeichnis aus dem Regal über dem Aktenschrank. »Ich müsste mal nachschlagen«, sagte sie und rollte wieder zurück an den Tisch. »Ein paar davon kenne ich, von anderen habe ich keine Ahnung. Eins meiner Parkinson-Kinder bekommt Buspiron gegen die Angstzustände. Manche der Mittel kann man zusammen nehmen, aber nicht alle. Das wäre Gift.«
»Hat er sie vielleicht verkauft?«, fragte Jeffrey. »Er hatte Spritzen. Und wir haben einen ganzen Sack Marihuana und zehn Blättchen LSD bei ihm gefunden.«
»Na ja, für Antidepressiva gibt es keinen richtigen Markt«, erklärte Sara. »Heutzutage kann sie sich fast jeder verschreiben lassen. Man muss nur den richtigen – oder in diesem Fall den falschen – Arzt finden.« Sie zeigte auf die Fläschchen, die sie zur Seite gestellt hatte. »Ritalin und Xanax könnte man auf der Straße loswerden.«
»Ich könnte in die Grundschule gehen und für je zehn Pillen um die hundert Dollar kriegen«, bestätigte Jeffrey. Er hielt einen Plastikbehälter hoch. »Wenigstens nahm er seine Vitamine.«
»Yocon«, sagte sie und las sich die Bestandteile durch.
»Fangen wir gleich damit an.« Sie blätterte durch den Katalog und fand den Eintrag. Dann überflog sie den Rezeptaufkleber und fasste zusammen: »Yocon ist der Markenname für Yohimbin, das aus der Rinde eines afrikanischen Baums gewonnen wird. Es soll gut für die Libido sein.«
Jack wog das Fläschchen in der Hand. »Ein Aphrodisiakum?«
»Nicht direkt.« Sara las weiter. »Soll für alles gut sein, gegen frühzeitige Ejakulation, dafür, dass die Erektion härter ist und länger anhält.«
»Warum höre ich davon zum ersten Mal?«
Sie grinste ihn an. »Weil du das nicht nötig hast.«
Jeffrey grinste zurück und stellte das Yocon zurück auf den Tisch. »Ein einundzwanzigjähriger Junge. Was will der mit so was?«
»Vielleicht hat ihn das Zoloft anorgasmisch gemacht.«
Jeffrey kniff die Augen zusammen. »Er konnte nicht kommen?«
»Einfach ausgedrückt, ja«, sagte Sara. »Mit der Erektion hätte er keine Probleme, nur ejakulieren konnte er nicht.«
»Liebe Güte, kein Wunder, dass er sich erhängt
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