Grant County 03 - Dreh dich nicht um
beiden Forscher zu sehen waren. Die Schlagzeile lautete: »Durchbruch im Schweinestall«, und nach dem Grinsen der Wissenschaftler zu urteilen, hatten sie ihre Schäfchen im Trockenen. Wie an den meisten Instituten blieb ein erkleckliches Sümmchen dessen, was die Forschung einbrachte, im Haus, und ein Gutteil davon hatte Kevin Blake, der Dekan, darauf verwendet, die Bibliothek komplett zu renovieren.
Die großen Buntglasfenster nach Osten waren saniert worden, sodass weder im Winter die Wärme noch im Sommer die klimatisierte Kühle entweichen konnten. Der Dekan hatte die Holzverkleidung und die dunklen Bücherregale, die auf zwei Stockwerken bis unter die Decke reichten, heller beizen lassen, sodass die Räume nicht mehr bedrückend, sondern nur beeindruckend wirkten. Es herrschte eine beruhigende Atmosphäre, und Lena kam gerne abends nach ihrem Rundgang hierher. Dann setzte sie sich in eine der Nischen und blätterte wahllos durch das erstbeste Buch, das ihr gerade in die Finger fiel. Um zehn ging sie heim und legte sich nach ein oder zwei Gläschen Whiskey ins Bett. Im Großen und Ganzen konnte sie mit dieser Routine leben. Irgendwie war es tröstlich, sich an Rituale zu halten.
»Scheiße«, seufzte Lena, als Richard Carter auf sie zukam.
Ohne dazu eingeladen worden zu sein, ließ er sich auf einen Stuhl neben Lena fallen.
»Na du«, sagte er und grinste.
»Na«, antwortete sie und versuchte ihre Abneigung so wenig wie möglich zu verbergen.
»Wie geht’s?«
Lena starrte ihn finster an. Sibyls ehemaliger Assistent war ein kleiner, stämmiger Schwuler, der erst vor kurzem die dicke Brille gegen Kontaktlinsen eingetauscht hatte. Obwohl er drei Jahre jünger als Lena war, gingen ihm die Haare aus. Die kahle Stelle versuchte er zu verbergen, indem er die restlichen Haare von vorn nach hinten kämmte. Das ständige Blinzeln wegen der Kontaktlinsen und die Geheimratsecken verliehen ihm das Aussehen einer verwirrten Eule.
Seit Sibyls Tod war Richard zum Juniorprofessor im Fachbereich Biologie befördert worden, doch seine Karriere würde hier vermutlich dank seiner nervtötenden Art stecken bleiben. In dieser Hinsicht ähnelte er Chuck, denn wie Chuck versuchte er, seine unerträgliche Dummheit mit vollkommen unbegründeter Selbstüberschätzung zu vertuschen. Er konnte nicht einmal in einem Restaurant Frühstück bestellen, ohne heraushängen zu lassen, er wüsste mehr über Spiegeleier als der Koch.
»Hast du von dem Jungen gehört?« Richard ließ klatschend die Hand auf den Tisch fallen und pfiff dazu gedehnt durch die Zähne, als würde ein Flugzeug abstürzen. »Einfach von der Brücke gesprungen.«
»Ja«, sagte Lena kurz.
»Es wimmelt von Mordgerüchten«, sagte Richard, fast vergnügt. Er liebte Klatsch. »Beide Eltern arbeiten für das College. Seine Mutter macht psychologische Beratung. Kannst du dir den Skandal vorstellen?«
Lena schämte sich, als sie an Jill Rosen dachte. »Wahrscheinlich sind sie fix und fertig. Ihr Sohn ist tot.«
Richard verzog abschätzig den Mund. Für ein egoistisches Arschloch war er ziemlich scharfsinnig, und Lena konnte nur hoffen, dass er sie nicht durchschaute.
»Kennst du sie?«
»Wen?«
»Brian und Jill«, sagte er und sah über Lenas Schulter. Er winkte irgendjemandem affektiert zu, dann wandte er sich wieder an Lena.
Doch Lena antwortete nicht auf seine Frage.
»Bist du dünner geworden?«
»Nein«, log Lena. Tatsächlich war ihre Hose noch weiter als vor einer Woche. In letzter Zeit hatte sie einfach keinen Hunger. »War er in deinem Kurs?«
»Andy?«, fragte Richard. »Er war bei Sibyl, kurz bevor sie – «
»Wie war er so?«
»Grauenhaft, wenn du mich fragst. Hat von seinen Eltern alles in den Hintern gesteckt bekommen.«
»Er war verwöhnt?«
»Schrecklich verwöhnt«, bestätigte Richard. »Bei Sibyl ist er fast durchgefallen. Organische Biologie. Kinderleicht. Er soll der nächste Einstein sein und fällt in Bio durch?« Richard schnaubte verächtlich. »Brian wollte Sibyl überreden, ein Auge zuzudrücken.«
»Das hätte Sibyl nie getan.«
»Natürlich nicht«, sagte Richard. »Sib lehnte höflich ab, und dann wurde Brian wütend.« Jetzt flüsterte er. »Mal ehrlich. Brian ist immer neidisch auf Sibyl gewesen. Er hat Tag und Nacht an ihrem Stuhl als Fachbereichsleiterin gesägt.«
Lena fragte sich, ob Richard diesmal ehrlich war oder wieder nur Dreck aufwühlen wollte. Er war ein echtes Lästermaul. Während der Ermittlungen nach Sibyls
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