Grant County 03 - Dreh dich nicht um
dann ließ er ihr Handgelenk los. Lena konnte einen kleinen Seufzer der Erleichterung nicht unterdrücken.
»Also, was bist du nun für einer?«, wiederholte sie.
Sein Lächeln war alles andere als beruhigend. »Einer, der gern mit hübschen Mädchen redet.«
Sie lachte höhnisch auf und sah sich im Café um, das sich in den letzten Minuten geleert hatte. Der Mann hinter der Theke beobachtete sie. Als Lena ihn ansah, drehte er sich schnell zur Espresso-Maschine um.
»Komm schon«, bat Ethan. »Setz dich.«
Lena starrte ihn an.
»Tut mir leid, dass ich dir wehgetan habe.«
»Wie kommst du darauf, dass du mir wehgetan hast?« Ihr Handgelenk pochte noch immer. Sie versuchte, die Hand zu beugen, doch der Schmerz war zu heftig. Das würde sie ihm heimzahlen. Damit kam er nicht davon.
»Ich will nicht, dass du sauer auf mich bist.«
»Ich kenne dich gar nicht«, sagte sie. »Und falls du’s nicht kapiert hast, ich habe eigene Sorgen, also danke für den Kaffee, aber – «
»Ich habe Andy gekannt.«
Plötzlich hörte sie wieder Jeffreys Worte – was er über Lenas Spuren in Andys Wohnung gesagt hatte. Sie versuchte, in Ethans Ausdruck zu lesen, ob er log, doch sie konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Sie erinnerte sich an Jeffreys Drohung. »Was weißt du von Andy?«, fragte sie.
»Setz dich«, sagte er. Es war keine Bitte.
»Ich höre dich auch von hier ganz gut.«
»Ich rede nicht, wenn du stehen bleibst.« Geduldig lehnte er sich zurück.
Im Stehen ging Lena ihre Möglichkeiten durch. Ethan war Student. Er bekam wahrscheinlich sehr viel mehr auf dem Campus mit als Lena. Wenn sie von ihm ein paar Informationen über Andy bekommen würde, könnte sie Jeffrey dazu bringen, seine verrückten Anschuldigungen zurückzunehmen. Lena lächelte bei der Vorstellung, Jeffrey die entscheidenden Hinweise hinzuwerfen, die zur Lösung des Falls führten. Er hatte ihr deutlich gesagt, dass sie kein Cop mehr war. Und bald würde er bereuen, dass er sie hatte gehen lassen.
»Warum lächelst du?«, fragte Ethan.
»Geht dich nichts an.« Lena drehte den Stuhl um und setzte sich wieder. Sie ließ die Hände über die Lehne hängen. Der Druck an ihrem Handgelenk fühlte sich an wie Feuer. Doch die Heftigkeit des Schmerzes zu beherrschen, hatte etwas Berauschendes. Zur Abwechslung fühlte sie sich stark.
»Erzähl mir, was du von Andy weißt.«
Er schien zu überlegen, doch schließlich sagte er einfach: »Nicht viel.«
»Du verschwendest meine Zeit.« Wieder wollte sie aufstehen, doch er streckte die Hand aus, um sie zurückzuhalten. Diesmal fasste Ethan sie zwar nicht an, doch die Erinnerung an seinen Griff reichte, um Lena am Aufstehen zu hindern.
»Was weißt du?«, wiederholte sie.
»Ich kenne jemand, der mit ihm befreundet war. Eng befreundet.«
»Wer?«
»Machst du gern mal Party?«
Lena verstand den Jargon der Drogenkultur. »Und du?«, fragte sie zurück. »Stehst du auf E, oder was?«
»Nein.« Er klang enttäuscht. »Du?«
»Was glaubst du denn?«, zischte sie. »Und Andy?«
Ethan sah sie einen Moment durchdringend an, als versuchte er, sich ein Bild von ihr zu machen. »Ja.«
»Woher willst du das wissen, wenn du selbst nicht Party machst?«
»Seine Mutter arbeitet doch in der Klinik. Darüber wird eben geredet – dass sie ihrem eigenen Kind nicht helfen kann.«
Lena hatte das Gefühl, Jill Rosen verteidigen zu müssen, obwohl sie genau das Gleiche dachte. »Man kann den Leuten im Grunde nicht groß helfen. Vielleicht wollte Andy gar nicht aufhören. Vielleicht war er nicht stark genug.«
Er wirkte neugierig. »Meinst du?«
»Keine Ahnung«, antwortete sie, doch seit einem Jahr stand sie dem Thema Drogen anders gegenüber. »Manchmal will man einfach abhauen. Nicht mehr nachdenken müssen.«
»Aber es ist eben immer nur für kurze Zeit.«
»Du scheinst dich auszukennen.« Sie warf einen Blick auf seine Arme, die von den Ärmeln des T-Shirts verdeckt wurden. Auf einmal ahnte sie, warum er diese langen Ärmel trug.
Ethan hatte ihren Blick gesehen. Er zog sich die Ärmel noch weiter über die Handgelenke. »Sagen wir, ich bin mal in Schwierigkeiten geraten, und belassen wir es dabei.«
»Verstehe.« Lena betrachtete ihn und fragte sich, ob er noch irgendetwas Nützliches für sie hätte. Vielleicht kam sie an seine Polizeiakte heran – dass Ethan Green eine hatte, stand für sie außer Zweifel – und könnte ihn damit unter Druck setzen.
»Seit wann bist du am GIT?«, fragte
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