Grant County 03 - Dreh dich nicht um
es, doch sie musste die ganze Zeit an Tessa denken, daran, dass die einzigen Worte, die sie gesprochen hatte, der Auftrag waren, den Täter zu finden. »Lassen wir das rassistische Motiv mal außer Acht. Nehmen wir mal an, die beiden Selbstmorde sind inszeniert worden. Glaubst du, es wäre klug, weiterhin geheim zu halten, dass die beiden ermordet wurden?«
»Ganz ehrlich?«, fragte Jeffrey. »Ich weiß es nicht. Ich will den Eltern keine falschen Hoffnungen machen, und ich will auch keine Panik auf dem Campus auslösen. Wenn es Morde waren, was wir noch nicht sicher wissen, dann wird der Mörder vielleicht übermütig und macht Fehler.«
Sara wusste, was er meinte. Mörder wollten nicht, wie immer wieder behauptet wurde, im Grunde alle geschnappt werden. Mord war die extremste Form des Risikos, und wenn sie einmal damit durchgekommen waren, würden sie es wieder versuchen und ein noch höheres Risiko eingehen.
Sie fragte: »Wenn jemand Studenten umbringt, was ist sein Motiv?«
»Mir fallen nur Drogen ein.«
Sara sparte sich die Frage, ob es auf dem Campus ein Drogenproblem gab. Stattdessen wollte sie wissen: »Nahm Ellen Schaffer Drogen?«
»Soweit ich sagen kann, war sie eher so eine Art Gesundheitsfanatikerin, daher bezweifle ich es.« Er sah in den Rückspiegel, bevor er einen 40-Tonnen-Truck überholte. »Rosen vielleicht, aber es spricht auch manches dafür, dass er clean war.«
»Was ist mit dem Gerücht um die Affäre?«
Jeffrey verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht, ob man Richard Carter vertrauen kann. Er ist eine Kanalratte – wühlt am liebsten im Dreck. Und er hält nicht damit hinter dem Berg, dass er Andy nicht leiden konnte. Ich traue ihm durchaus zu, dass er aus reiner Sensationslust ein Gerücht in die Welt setzt.«
»Na ja, gehen wir mal davon aus, er hätte Recht«, sagte Sara. »Könnte Andys Vater eine Affäre mit Ellen Schaffer gehabt haben?«
»Sie war in keinem seiner Kurse. Nichts spricht dafür, dass sie ihn kannte. Sie hatte einen Haufen Jungs in ihrem Alter, die ihr zu Füßen lagen.«
»Vielleicht fühlte sie sich genau aus dem Grund zu älteren Männern hingezogen. Ein kultivierter Dozent …«
»Nicht Brian Keller. Er ist nicht gerade der Robert-Redford-Typ.«
»Hast du dich umgehört?«, hakte sie nach. »Gibt es irgendeine Verbindung?«
»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete er. »Ich rede morgen nochmal mit ihm. Vielleicht rückt er freiwillig mit was raus.«
»Vielleicht mit einem Geständnis.«
Jeffrey schüttelte den Kopf. »Er war in Washington. Frank hat das heute Nachmittag bestätigen lassen.« Nach ein paar Sekunden sagte er: »Vielleicht hat er jemanden angeheuert.«
»Und sein Motiv?«
»Vielleicht …« Jeffreys Stimme verlor sich. »Gott, ich weiß nicht. Immer wieder scheitern wir am Motiv. Warum sollte irgendjemand so was tun? Wer hatte was davon?«
»Menschen töten im Grunde nur aus drei Gründen«, bemerkte Sara. »Wegen Geld, wegen Drogen oder im Affekt, aus Wut oder aus Eifersucht. Scheinbar wahllose Morde deuten auf einen Serienmörder hin.«
»Lieber Himmel, sag nicht so was.«
»Wahrscheinlich ist es nicht, das gebe ich zu. Aber alles andere ergibt auch keinen Sinn.« Sie schwieg einen Moment. »Andererseits kann Andy auch gesprungen sein. Ellen Schaffer hatte vielleicht schon Depressionen, und seine Leiche zu finden war der Auslöser – « Sara unterbrach sich.
»Sollte kein Wortspiel sein.«
Jeffrey sah sie an.
»Vielleicht hat sie sich doch umgebracht. Vielleicht haben sich alle beide umgebracht.«
»Und Tessa?«
»Ja, und Tessa«, wiederholte sie. »Vielleicht hatte ihr Angreifer nichts mit den beiden anderen zu tun. Wenn es Selbstmorde waren, meine ich.« Sara versuchte, das Ganze zu durchdenken, doch es fügte sich einfach nicht zu einem stimmigen Bild zusammen. »Vielleicht hat sie im Wald jemand bei irgendwas Illegalem ertappt.«
»Wir haben jeden Zentimeter durchkämmt und nichts außer der Kette gefunden. Selbst wenn, warum sollte der Kerl dann noch bleiben und dich und Tessa beobachten?«
»Vielleicht war das wieder jemand anders … irgendein Jogger.«
»Warum wäre er weggelaufen, als er Lena sah?«
Sara atmete tief aus. Sie war zu erschöpft, um noch irgendetwas zu verstehen. »Ich denke immer wieder an den Kratzer auf Andys Rücken. Vielleicht finde ich bei der Obduktion was raus.« Sie stützte den Kopf in die Hände und gab es auf zu grübeln. »Was hast du denn sonst noch auf dem Herzen?«
Sein Kiefer mahlte,
Weitere Kostenlose Bücher