Grant County 03 - Dreh dich nicht um
einen Knall gehört, aber sie hätten ihn für die Fehlzündung eines Autos gehalten.« Er trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. »Sie hat ein Kaliber-12-Repetiergewehr benutzt.«
»Ach du meine Güte«, stöhnte Sara. Sie wusste, was eine solche Waffe anrichtete.
Jeffrey langte nach einer Akte auf dem Rücksitz. »Aus nächster Nähe.« Er zog ein Farbfoto heraus. »Die Mündung steckte wahrscheinlich in ihrem Mund. Der Kopf hat den Knall gedämpft wie ein Schalldämpfer.«
Sara knipste das Licht an, um besser sehen zu können. Es war noch schlimmer, als sie befürchtet hatte.
»Gott«, murmelte sie. Die Autopsie würde schwierig werden. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Sie wären nicht vor acht in Grant. Die beiden Obduktionen würden je mindestens drei Stunden in Anspruch nehmen. Sara bedankte sich im Geist bei Hare, dass er sie morgen noch einmal vertrat. So wie es aussah, würde sie den ganzen Tag schlafen müssen.
»Sara?«, fragte Jeffrey.
»Tut mir leid.« Sie nahm ihm die Akte ab. Beim Durchblättern verschwammen ihr die Buchstaben vor den Augen. Also konzentrierte sie sich auf die Fotos.
»Vielleicht ist jemand durchs Fenster geklettert«, fuhr Jeffrey fort. »Vielleicht war er schon drin, hat sich im Schrank versteckt oder so. Sie kommt aus dem Bad zurück und – bumm. Da wartet er auf sie.«
»Hast du Fingerabdrücke gefunden?«
»Vielleicht hatte er Handschuhe an«, sagte Jeffrey, ohne ihre Frage direkt zu beantworten.
»Frauen schießen sich normalerweise nicht ins Gesicht«, bemerkte Sara nach einem Blick auf eine Nahaufnahme von Ellens Schreibtisch. »Das würde eher ein Mann tun.« Sara fand die Statistik zwar sexistisch, doch die Zahlen sprachen leider für sich.
»Irgendwas stimmt da nicht.« Jeffrey zeigte auf das Foto.
»Nicht nur wegen dem Pfeil. Lassen wir Tessa mal beiseite. Irgendwas stimmt mit dem Schuss nicht.«
»Warum?«
»Ich wünschte, das könnte ich dir sagen. Es ist genau wie bei Andy Rosen. Irgendwas ist da faul, aber ich kann meinen Finger nicht drauflegen.«
Sara dachte an Tessa in ihrem Krankenbett. Sie hörte wieder ihre Worte: Finde ihn. Sara betrachtete das Foto von Ellen Schaffers Zimmer. Sie dachte daran, wie sie Tessa zum Vassar College gefahren und ihr beim Einzug geholfen hatte. Tessas Zimmer im Wohnheim hatte genauso ausgesehen wie Ellen Schaffers Zimmer. Greenpeace-Poster an der Wand, daneben ausgeschnittene Zeitschriftenfotos von hübschen Männern. Auf dem Kalender über dem Schreibtisch waren wichtige Daten rot umkringelt. Das Einzige, das aus dem Rahmen fiel, waren die Waffenreinigungsmittel, die auf dem Tisch verteilt lagen.
Sara blätterte zum Bericht zurück. Sie würde vom Lesen ohne Brille Kopfschmerzen bekommen, doch irgendetwas musste sie tun. Als sie endlich alle Informationen durchgesehen hatte, die Jeffrey zum Fall Schaffer zusammengetragen hatte, pochte es schmerzhaft in ihren Schläfen, und ihr war schlecht.
Jeffrey fragte: »Was meinst du?«
»Ich meine …«, begann sie und sah auf die geschlossene Akte hinunter. »Ich meine, ich weiß nicht. Beide Selbstmorde könnten inszeniert sein. Ellen Schaffer kann überrascht worden sein. Vielleicht hat sie einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Das lässt sich jetzt natürlich schwerlich
überprüfen …«
Sara zog einige Fotos hervor und ordnete sie versuchsweise. »Sie liegt auf der Couch. Dort könnte man sie hingelegt haben. Sie könnte auch vorher schon da gelegen haben. Sie erreicht den Abzug nicht mit dem Arm, also benutzt sie den Fuß. Das ist nicht ungewöhnlich. Manchmal nehmen die Leute einen Kleiderbügel.«
Sie warf noch einen Blick in den Bericht, überflog Jeffreys Bemerkungen bezüglich des Munitionsfehlers. »Hat sie gewusst, wie gefährlich es ist, die falsche Munition zu verwenden?«
»Ich habe mit ihrem Trainer gesprochen. Er sagt, dass sie sehr sorgsam mit der Waffe umgegangen ist.« Jeff hielt inne.
»Warum gibt es am G1T überhaupt ein Schützenteam der Frauen?«
»Artikel neun«, erklärte Sara.
Laut Gesetz war jede Universität verpflichtet, Frauen dieselben Sportmöglichkeiten zu bieten wie Männern. Hätte es die Verordnung zu Saras Schulzeiten schon gegeben, dann wäre die Frauentennismannschaft wenigstens auch mal auf den Platz gekommen. So aber hatten sie gegen die Wand der Turnhalle spielen müssen – und das auch nur, wenn die Basketballmannschaft der Jungs gerade kein Training hatte.
»Ich finde es gut, dass Frauen die Chance bekommen, neue
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