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Grant County 05 - Gottlos

Grant County 05 - Gottlos

Titel: Grant County 05 - Gottlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Uniform sprechen lassen oder den Streifenwagen, bei dessen Anblick der Verkehr langsamer wurde, obwohl sich bereits alle an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielten. Sie musste nun andere Wege finden, die bösen Jungs einzuschüchtern. Dass sie noch immer ein Cop war, daran musste sie sich selbst erinnern.
    Als die Schwester in Atlanta sie im sogenannten Erholungsraum allein gelassen hatte, hatte Lena ihre vertrauten blauen Flecken betrachtet und sie mit den neuen verglichen. Fingerabdrücke, die sich wie ein Reif um ihren Arm legten. Ihr Handgelenk war dort, wo es verdreht worden war, angeschwollen. Die Prellung über der linken Niere konnte sie nicht sehen, doch sie spürte sie bei jeder Bewegung.
    In ihrem ersten Jahr als Streifenpolizistin hatte Lena alles gesehen. Häusliche Auseinandersetzungen, bei denen Frauen den Polizeiwagen mit Steinen bewarfen, um die Cops daran zu hindern, ihren gewalttätigen Ehemann ins Gefängnis zu bringen. Nachbarn, die mit dem Messer aufeinander losgingen, weil ein Ast über den Zaun hing oder ein Rasenmäher verschwunden war, der meistens in der Garage wieder auftauchte, oftmals neben einem hübschen Vorrat an Marihuana, manchmal härterem Stoff. Kleine Kinder, die sich an ihre Väter klammerten, darum bettelten, zu Hause bleiben zu dürfen, und wenn man sie dann ins Krankenhaus brachte, entdeckten die Ärzte Hinweise auf vaginalen oder analen Missbrauch. Manchmal fanden sie auch Verletzungen tief im Mundraum, Würgemale an der Kehle.
    Die Ausbilder an der Polizeischule versuchten, einen auf diese Dinge vorzubereiten, aber gegen manche davon konnte man sich einfach nicht wappnen, man musste sie mit eigenen Augen sehen, man musste sie schmecken, fühlen. Niemand erklärte einem, wie groß die Angst sein konnte, wenn man einen verdächtigen Wagen aus einem anderen Staat zwecks Fahrzeugkontrolle anhielt und einem das Herz bis zum Hals klopfte, während man mit der Hand an der Waffe vom Streifenwagen zur Fahrertür ging und sich fragte, ob der Typ im Wagen seine Hand auch an einer Waffe hatte. In den Büchern waren Abbildungen von Toten, und Lena erinnerte sich daran, wie die Typen in ihrer Klasse sich darüber lustig machten. Über die Frau, die besoffen mit der Nylonstrumpfhose um die Knöchel in der Badewanne ertrunken war. Über den Kerl, der sich mit geöffneter Hose erhängt hatte und bei dessen Anblick man erst nach einer Weile begriff, dass das Ding in seiner Hand keine reife Zwetschge war. Vermutlich war auch er ein Vater, ein Ehemann gewesen, auf jeden Fall der Sohn von jemandem, aber für Generationen von Kadetten war er nur noch der «Zwetschgensack».
    Und nichts von alldem bereitete dich auf die Wirklichkeit vor, ihren Anblick, ihren Geruch. Kein Ausbilder kann dir vermitteln, wie sich der Tod anfühlt, wenn du einen Raum betrittst, sich dir die Nackenhaare aufstellen und du weißt, hier ist etwas Grauenhaftes passiert, oder – schlimmer noch – es wird gleich etwas Grauenhaftes geschehen. Kein Chief kann dich vor der schlechten Angewohnheit bewahren, mit der Zunge zu schnalzen, um diesen Geschmack loszuwerden. Keiner hat dir gesagt, dass du noch so oft duschen kannst, aber den Geruch des Todes wirst du nicht los. Und schließlich gehst du täglich fünf Kilometer in der heißen Sonne laufen und ins Fitnesscenter, um den Geruch endlich auszuschwitzen, bis dich der nächste Notruf erreicht – eine Tankstelle, ein liegengebliebener Wagen, ein Nachbarhaus, vor dem sich Post und Zeitungen stapeln –, und du findest dienächste Leiche, eine Großmutter, eine Schwester, einen Bruder oder Onkel, und alles geht wieder von vorne los.
    Keiner hilft dir, wenn der Tod in dein eigenes Leben tritt. Niemand steht dir in dieser Trauer bei, wenn bei deinem Einsatz jemand ums Leben kommt – egal, wie erbärmlich dieses Leben gewesen ist. Und genau darum geht es. Als Cop lernst du schnell, zwischen «denen» und «uns» zu unterscheiden. Lena hätte nicht gedacht, dass sie eines Tages einen Verlust auf der Gegenseite betrauern würde, doch in letzter Zeit dachte sie an nichts anderes mehr. Und jetzt hatte sie ein weiteres Leben beendet, war verantwortlich für einen weiteren Tod.
    Mit jeder Faser spürte sie seit Tagen den Tod in sich. Sie hatte seinen sauren Geschmack im Mund, jeder Atemzug roch nach Verwesung. Er summte schrill in ihren Ohren, und ihre Haut fühlte sich kalt und feucht an, als hätte sie sie sich vom Friedhof geborgt. Ihr Körper gehörte nicht mehr ihr, ihren Geist

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