Grant County 05 - Gottlos
Alufolie gewickelten Pappteller aus der Tüte und schob sie Sara hin. «Der Braten ist wohl etwas ausgelaufen.»
«Oh, ja», stöhnte Sara hungrig, als sie den Schokoladenkuchen erblickte. Cathy Lintons Schokoladenkuchen war unverschämt gut, das Earnshaw’sche Rezept wurde von Generation zu Generation weitergegeben. «Das ist ja viel zu viel.» Das Stück war groß genug für zwei.
«Hier», Tessa holte zwei Tupperdosen aus der Tüte. «Du sollst es dir mit Jeffrey teilen.»
«Das glaubst du doch selbst nicht.» Sara nahm eine Gabel aus der Schublade, dann setzte sie sich auf einen Barhocker am Küchentresen.
«Isst du den Braten nicht?», fragte Tessa.
Sara schob sich ein Stück Kuchen in den Mund und spülte ihn mit Wein herunter. «Mama hat immer gesagt, wenn ich mein eigenes Dach über dem Kopf habe, darf ich zu Abend essen, was ich will.»
«Ich wünschte, ich hätte auch ein eigenes Dach über demKopf», grummelte Tessa und tupfte mit dem Finger Schokoladenkrümel von Saras Teller. «Ich habe es satt, nichts zu tun.»
«Du arbeitest doch.»
«Als Dads Packesel.»
Sara schluckte den nächsten Bissen herunter. «Depressionen gehören zu den Nebenwirkungen deiner Medikamente.»
«Ich setze es auf die Liste.»
«Hast du noch mehr Probleme?»
Tessa zuckte die Schultern und wischte die Krümel von der Theke. «Devon fehlt mir», sagte sie. Sie hatte von ihrem Exfreund ein Kind erwartet, das im Mutterleib gestorben war. «Ich vermisse es, einen Mann um mich zu haben.»
Sara stocherte in ihrem Kuchen herum. Nicht zum ersten Mal bereute sie, dass sie Devon Lockwood nicht erwürgt hatte.
«Also», sagte Tessa, um das Thema zu wechseln. «Erzähl, was hat Jeffrey diesmal angestellt?»
Sara stöhnte und wandte sich wieder dem Kuchen zu.
«Nun sag schon.»
Nach ein paar Sekunden gab Sara auf. «Er hat vielleicht Hepatitis.»
«Welche Art?»
«Gute Frage.»
Tessa runzelte die Stirn. «Hat er Symptome?»
«Außer extremer Blödheit und akuter Verdrängung?», fragte Sara. «Nein.»
«Wie könnte er sich angesteckt haben?»
«Was glaubst du?»
«Ach so.» Tessa rückte einen Barhocker neben Sara und setzte sich. «Aber das ist doch ewig her, oder?»
«Spielt das eine Rolle?» Dann berichtigte sie sich. «Ich meine, ja, es spielt eine Rolle. Es geht um damals. Das
eine Mal
damals.»
Tessa schürzte die Lippen. Sie hatte nie geglaubt, dass Jeffreynur ein einziges Mal mit Jolene geschlafen hatte, und hielt mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Sara befürchtete schon, Tessa würde wieder darauf herumreiten, doch stattdessen fragte sie: «Und was macht ihr jetzt?»
«Wir streiten uns», gab Sara zu. «Ich werde den Gedanken einfach nicht los. Was er mit ihr getan hat.» Sie schob sich noch ein Stück Kuchen in den Mund, kaute langsam, schluckte bedächtig. «Er hat nicht nur …» Sara suchte nach einem Wort, das ihren ganzen Ekel zum Ausdruck brachte. «Er hat sie nicht nur
gevögelt
. Er ist ihr hinterhergelaufen. Hat sie angerufen. Hat mit ihr gelacht. Vielleicht hat er ihr sogar Blumen geschickt.» Sie starrte die Schokoladensoße an, die vom Teller auf die Arbeitsplatte tropfte. Hatte er ihr Schokolade von den Schenkeln geleckt? Wie intim waren die Momente, die sie vor jenem Tag geteilt hatten? Wie viele hatte es später gegeben?
All die Dinge, die Jeffrey tat, um Sara das Gefühl zu geben, sie wäre etwas Besonderes und er der Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte – war das alles nur Methode, eine Technik, die er ebenso gut bei einer anderen Frau anwenden konnte? Verdammt, wahrscheinlich nicht nur bei einer. Jeffreys sexuelles Vorleben ließ Hugh Hefner alt aussehen. Wie war es möglich, dass der Mann, der so reizend sein konnte, gleichzeitig der Mistkerl war, der sie von vorne bis hinten beschiss? War sein neues Ich auch nur ein Trick, um sie zurückzugewinnen? Würde er sich nach dem nächsten Opfer umsehen, sobald er wieder bei ihr eingezogen war?
Sara wusste genau, wie Jo es geschafft hatte, ihn ihr auszuspannen. Jolene war in solchen Dingen viel gerissener als Sara. Für Jeffrey war es wahrscheinlich ein Spiel, eine Herausforderung. Vermutlich hatte sie kokettiert und sich dann rar gemacht, beim Flirten genau das Gleichgewicht gehalten, bis er nach dem Köder schnappte, und dann hatte sie die Leine langsam eingeholt. Mit Sicherheit hatte sie nicht nach dem erstenDate mit dem Slip an den Knöcheln auf dem Küchenboden gelegen, die Füße gegen die Spüle gestemmt, und
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