Grant County 05 - Gottlos
Streichholzbriefchen hervor. Er warf es Lena zu, und sie erkannte das Logo des Pink Kitty. Am Highway stand ein riesiges Neonschild, das meilenweit in die Nacht leuchtete.
«Kannst du mir sagen», begann Jeffrey, als er sich auf dieLandstraße einfädelte, «warum eine zwanzigjährige Unschuld vom Lande ein Streichholzbriefchen aus einem Striptease-Lokal mitnimmt und es ihrem Lieblingsstofftier in den Hintern schiebt?»
Das also war so interessant an dem Snoopy auf Abbys Bett gewesen. Sie hatte die Streichhölzer darin versteckt. «Gute Frage», sagte Lena und klappte das Briefchen auf. Keins der Streichhölzer war benutzt.
«Ich hole dich um halb elf ab.»
SECHS
Sara lag mit einem nassen Waschlappen im Gesicht auf dem Sofa, als Tessa das Haus betrat.
«Schwesterchen?», rief sie aus dem Flur. «Jemand zu Hause?»
«Im Wohnzimmer», brummte Sara in den Waschlappen.
«Ach du liebe Zeit», seufzte Tessa. Sara spürte, wie sie sich über das Sofa beugte. «Was hat Jeffrey diesmal angestellt?»
«Warum denkst du, dass Jeffrey schuld ist?»
Tessa stellte mitten im Lied die Musik ab. «Dolly Parton hörst du nur, wenn du sauer auf ihn bist.»
Sara schob den Waschlappen auf die Stirn, um ihre Schwester anzusehen. Tessa sah sich die C D-Hülle an. «Es ist ein Cover-Album.»
«Ich schätze, Nummer sechs hast du übersprungen», bemerkte Tessa und ließ die Hülle auf den Haufen fallen, den Sara vorhin nach erträglicher Musik durchwühlt hatte. «Oje, du siehst furchtbar aus.»
«Ich fühle mich auch furchtbar», gab Sara zu. Die Obduktion von Abigail Bennett, der sie heute Morgen beigewohnt hatte, gehörte zu den schrecklichsten Dingen, die sie je erlebt hatte. Die junge Frau war auf qualvolle Weise gestorben. Ihre Organe hatten nacheinander ausgesetzt, bis schließlich nur noch das Gehirn funktionierte. Abby wusste, was passierte, hatte jede Sekunde ihres Todes mitbekommen, bis zum grausamen Ende.
Sara war so erschüttert gewesen, dass sie tatsächlich zumHandy gegriffen hatte, um Jeffrey anzurufen. Aber sie hatte ihm ihr Herz nicht ausschütten können, stattdessen hatte er sie nach den Details befragt. Jeffrey war so in Eile gewesen, dass er sich nicht einmal von ihr verabschiedet hatte.
«Schon besser», sagte Tessa, als Steely Dan durch die Lautsprecher flüsterte.
Sara sah aus dem Fenster und stellte überrascht fest, dass die Sonne schon untergegangen war. «Wie spät ist es?»
«Fast sieben», erklärte Tessa und machte die Musik leiser. «Mama hat euch was zu essen eingepackt.»
Seufzend richtete sich Sara auf und warf den Waschlappen auf den Boden. Sie entdeckte die braune Papiertüte zu Tessas Füßen. «Was gibt es?»
«Rinderbraten und Schokoladenkuchen.»
Sara knurrte der Magen. Sie hatte den ganzen Tag nichts essen können. Wie auf Stichwort trotteten die Hunde herein. Sara hatte den beiden Windhunden vor ein paar Jahren das Leben gerettet, und zum Dank fraßen sie ihr jetzt die Haare vom Kopf.
«Pfui», warnte Tessa, als Bob, der Größere der beiden, an der Tüte schnüffelte. Als Nächstes drängelte sich Billy vor, doch sie scheuchte ihn weg. «Fütterst du sie überhaupt?», fragte sie Sara.
«Manchmal.»
Tessa nahm die Tüte und stellte sie auf die Küchentheke neben eine Flasche Wein, die Sara aufgemacht hatte, als sie heimkam. Sie hatte sich nicht einmal umgezogen, sondern sich gleich ein Glas Wein eingeschenkt, einen kräftigen Schluck getrunken und sich mit dem Waschlappen im Gesicht aufs Sofa gelegt.
«Hat Dad dich hergebracht?», fragte sie. Sie hatte keinen Wagen gehört. Tessa durfte nicht Auto fahren, solange sie ihre Antiepileptika nahm, eine Regel, die sie mit Sicherheit früher oder später brechen würde.
«Ich bin mit dem Rad da.» Tessa warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Weinflasche, als Sara sich nachschenkte. «Ich will auch …»
Sara machte den Mund auf, dann klappte sie ihn wieder zu. Tessa durfte wegen der Medikamente auch keinen Alkohol trinken, aber sie war erwachsen, und Sara war nicht ihre Mutter.
«Ich weiß», sagte Tessa, als sie Saras Blick sah. «Aber ich darf doch davon träumen, oder?» Sie griff in die Papiertüte und nahm einen Stapel Post heraus. «Hab ich dir mitgebracht. Guckst du je in den Briefkasten? Da waren ungefähr eine Milliarde Kataloge drin.»
Auf einem der Kataloge war ein brauner Fleck, und Sara schnüffelte misstrauisch daran. Erleichtert stellte sie fest, dass es Bratensoße war.
«Tut mir leid.» Tessa nahm die in
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