Grant County 05 - Gottlos
«Cole?»
«Gute Idee», sagte Lev, «wahrscheinlich kennt er jeden Einzelnen auf der Farm persönlich.»
«Wo wir gerade dabei sind», schaltete sich Paul mit einem Blick auf Jeffrey ein. «Die Farm ist Privatgelände. Wir haben nicht gerne die Polizei hier, es sei denn, es geht um offizielle Angelegenheiten.»
«Sie würden das keine offizielle Angelegenheit nennen?»
«Das ist eine Familienangelegenheit», entgegnete er und streckte ihm die Hand hin. «Vielen Dank für Ihre Hilfe.»
«Eins noch», sagte Jeffrey. «Ist Abby Auto gefahren?»
Paul ließ die Hand sinken. «Natürlich. Sie war schließlich alt genug.»
«Hatte sie ein Auto?»
«Sie ist mit Marys Wagen gefahren», erklärte er. «Meine Schwester fährt schon seit einer Weile nicht mehr selbst. Abby lieh sich ihren Wagen, um Essen auszuliefern und in der Stadt Besorgungen zu machen.»
«Hat sie diese Dinge allein erledigt?»
«Im Allgemeinen schon», sagte Paul mit dem typischen Zögern eines Anwalts, der Informationen preisgeben muss, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten.
Lev erklärte: «Abby war ein sehr hilfsbereiter Mensch.»
Paul legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter.
«Ich danke Ihnen», sagte Lev.
Lena und Jeffrey standen am Fuß der Treppe und beobachteten, wie Lev ins Haus zurückkehrte und sorgfältig die Tür hinter sich schloss.
Lena atmete hörbar aus und ging zum Wagen zurück. Jeffrey folgte ihr schweigend.
Er behielt seine Gedanken für sich, bis sie wieder auf der Hauptstraße waren und die Holy Grown Farm passierten. Jetzt sah Lena den Ort in einem neuen Licht. Sie fragte sich, was wirklich hinter alldem steckte.
Jeffrey sagte: «Seltsame Familie.»
«Du sagst es», stimmte Lena zu.
«Aber wir dürfen uns nicht von Vorurteilen leiten lassen.» Er sah sie scharf an.
«Ich werde ja wohl eine eigene Meinung haben dürfen.»
«Das darfst du», sagte er, und sie spürte seinen Blick auf ihren Narben. «Aber wie fühlst du dich in einem Jahr, wenn wir den Fall immer noch nicht gelöst haben, nur weil wir davon ausgehen, dass das Ganze mit ihrer Frömmigkeit zu tun haben muss?»
«Und was, wenn die Tatsache, dass sie Bibelfanatiker sind, tatsächlich der Schlüssel dazu ist?»
«Menschen morden aus verschiedenen Gründen», erinnerte er sie. «Geld, Liebe, Leidenschaft, Rache. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Wer hat ein Motiv? Wer hatte die Mittel, es zu tun?»
Jeffrey hatte recht, doch Lena hatte am eigenen Leib erlebt, dass es Menschen gab, die einfach komplett durchgeknallt waren. Es konnte einfach kein Zufall sein, dass ein Mädchen in einer Kiste mitten im Wald lebendig begraben wurde und die dazugehörige Familie eine hinterwäldlerische Sekte betrieb.
Sie fragte: «Glaubst du nicht, dass es ein Ritualmord sein könnte?»
«Ich glaube, die Trauer der Mutter war echt.»
«Ja», gab sie zu. «So viel habe ich auch gesehen.» Doch sie ließ noch nicht locker: «Das heißt nicht, dass das auch für den Rest der Familie gilt. Immerhin haben die hier draußen eine richtige Sekte.»
«Dann müsstest du jede kleinere Gemeinde eine Sekte nennen», entgegnete er.
Trotz ihrer Abneigung gegen die Kirche im Allgemeinen widersprach sie ihm. «Die Baptisten würde ich nicht gerade als Sekte bezeichnen.»
«Glaubensgemeinschaften, die sich von größeren Religionsgemeinschaften abheben, weil sie andere Schwerpunkte setzen. Das nennt sich Sekte.»
«Na ja», sagte sie. Er hatte sie nicht überzeugt, aber ihr fehlten Gegenargumente. Sie bezweifelte, dass der Papst in Rom die evangelische Kirche als Sekte bezeichnen würde. Es gab eben normale Religionen, und dann gab es radikale Fanatiker, die mit Schlangen tanzten und Elektrizität für Teufelswerk hielten.
«Wir müssen mit dem Zyankali anfangen», sagte Jeffrey. «Wie ist der Täter da rangekommen?»
«Esther sagte, sie benutzen keine Pestizide.»
«Und wir bekommen garantiert keinen Gerichtsbeschluss, um das nachzuprüfen. Selbst wenn Ed Pelham in Catoogah mitspielen würde, hätten wir kein Verdachtsmoment.»
«Wir hätten uns umsehen sollen, als wir dort waren.»
«Diesen Cole müssen wir unter die Lupe nehmen.»
«Glaubst du, er kommt am Mittwoch?»
«Keine Ahnung.» Dann fragte Jeffrey: «Was machst du heute Abend?»
«Warum?»
«Willst du mit ins Pink Kitty gehen?»
«Die Tittenbar am Highway 16?»
«Das Striptease-Lokal», berichtigte Jeffrey mit gespielter Entrüstung. Er kramte mit einer Hand in der Hosentasche und zog ein
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