Grappa 02 - Grappas Treibjagd
an dem die Dame gerade Platz genommen hat. Kannst du das für mich arrangieren?«
»Aber gerne, Signora Maria!«
Er konnte mich gut leiden, was ich im wesentlichen meinem Namen zuschrieb: Mein Vorname war der der Jungfrau Maria und mein Nachname der des am meisten gefeierten italienischen Hochprozenters, der jeden italienischen Mann ohne Leberzirrhose ins Schwärmen brachte. Ich hatte ihn durch meine sehr kurze Ehe mit einem florentinischen Pizza-Bäcker erhalten, den ich kurz nach dem Abitur geheiratet hatte.
Ich durfte auf einer Empore Platz nehmen, von der ich von schräg oben auf Frau Engler blicken konnte. Die Kamera hatte ich griffbereit auf dem Tisch liegen. Wenn ich Glück hätte, würde das Licht ausreichen, denn das »Pinocchio« hatte nicht die dunkle eichene Gemütlichkeit der meisten anderen Bierstädter Restaurants.
Luigi fragte mich nach meinen Wünschen. »Etwas Knoblauchbrot reicht«, sagte ich, »und könntest du am Tisch der Dame noch eine Lichtquelle anwerfen?«
»Willst du den Spot links oben? Reicht er für ein Foto?« Er hatte gemerkt, was ich vorhatte.
»Luigi, du bist ein Schlitzohr. Mach das Licht ruhig an, ob es was hilft, weiß ich nicht, aber schaden kann's auch nicht.«
Der Spot tauchte Frau Engler in schönes helles Licht. Ihr schien es egal zu sein, dass die Halogen-Lampe ihre Haut noch gelber und ihre Falten noch tiefer erscheinen ließ. Ich hätte die Lampe weggedreht, wenn ich mich mit einem Mann zu einem Essen zu zweit getroffen hätte.
Denn es zwar zweifellos ein Mann, der sich da an ihren Tisch setzte. Mitte 40, hager und gut gekleidet. Volles, zurückgekämmtes mittelblondes Haar mit Grau durchsetzt, eine randlose Brille, die dunkel getönt war, sodass seine Augen nur andeutungsweise zu sehen waren. Eine durchweg – wie sagt man – stattliche Erscheinung. Ich hatte den Mann nie zuvor gesehen.
Er winkte den Kellner heran und orderte einen Martini mit Eis. Frau Engler ließ sich ein Mineralwasser kommen. Danach schauten beide in die Speisekarte.
Sie entschieden sich schnell, bestellten, und der Mann begann mit einer Unterhaltung. Seine Mimik war lebhaft. Er nahm die Hand der Frau und küsste sie. Wie ungewöhnlich!
Sie sprachen aufgeregt und leise miteinander. Zu leise, als dass ich etwas hätte hören können. Zwischendurch nahm der Mann immer wieder – beschwichtigend und gleichzeitig bittend – die Hand der Engler und redete auf sie ein. Sie wandte den Kopf mehrmals ab, schüttelte ihn, schaute ihn zweifelnd an. Was wurde da besprochen zwischen den beiden?
Leider hatte ich nicht genügend lange Ohren, aber immerhin eine Kamera. Ich musste herausbekommen, wer dieser distinguierte Herr mittleren Alters war. Und dazu brauchte ich ein Foto von ihm. Ich nahm die Klappe vom Objektiv, blickte durch den Sucher und drückte ab. Der eingebaute Motor gab ein surrendes Geräusch von sich. Niemand achtete auf mich, nur Luigi riskierte einen Blick nach oben.
Klick, surr, Klick, surr. Das müsste reichen. Die beiden hatten nichts bemerkt. Ich schlich die Treppe hinunter und sah, wie der Mann Frau Engler einen Umschlag zusteckte. Wie in einem Agentenfilm! Und ich war mittendrin!
Aber jetzt nichts wie weg! Hoffentlich war alles im Kasten und die Kamera so idiotensicher, wie es mir Jansen versprochen hatte. Mein Komplize erwartete mich. »Alles klar, Maria?« Luigi war neugierig.
»Hat ganz gut hingehauen. Kennst du den Mann, der da bei ihr sitzt?«
»Nie gesehen. War noch nie hier. Ist er Verbrecher?«
»Kann sein, ich habe keine Ahnung. Konntest du hören, was die beiden gesprochen haben?«
»Bisschen leise gesprochen. Mann war aber sehr böse.«
Ich gab Luigi einen Kuss auf die Wange. »Ich danke dir, du alter Mafia-König.«
Er strahlte. »War Knoblauchbrot gut?«
»Köstlich, wie immer. Die Leute, die an mir vorbeigehen, werden glauben, ich sei eine bulgarische Straßenbahnschaffnerin.«
»Bleibst du nicht zum Essen, Maria?«
»Um Gottes willen! Ich muss dringend abnehmen!«
Er grinste und riskierte einen Blick. »Ist nicht nötig!«
»Vielleicht irgendwann am Abend. Jetzt muss ich weg! Wenn die beiden«, ich blickte zum Tisch, »noch etwas Außergewöhnliches tun, rufst du mich dann bitte an?«
»Claro!«
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