Grappa 02 - Grappas Treibjagd
Ich musste da weitermachen, wo Laura aufgehört hatte: bei Beate und ihren Eltern. Vielleicht sollte ich mich auf die Anzeige im Lolita-Magazin melden, getarnt als Mutter einer kleinen Tochter? Wenn ich nicht allzu ungeschickt wäre, würde »Onkel Herbert« bestimmt Kontakt zu mir aufnehmen. Er suchte doch wahrscheinlich neue Opfer, jetzt, wo Beate im Kinderheim steckte! Ich trank noch ein Glas Wein, grapschte nach meinem Kuli und überlegte, welche Sprüche solche Kerle antörnen könnten. Ziemlich jung musste das Kind sein, möglichst unberührt, zart und dunkelhaarig wie Beate, deren Foto in der Akte war.
Ich blätterte im Lolita-Magazin, um mir einige sprachliche Anregungen zu holen. Es war sehr schwierig, denn der Antworttext musste dem Täter Sicherheit vermitteln, musste Vertrauen einflößen, durfte nicht zu primitiv sein.
Ich leerte das nächste Glas und schrieb:
Sehr geehrter Inserent!
Ich bin eine tolerante Mutter mit einem achtjährigen Lolita-Früchtchen, das noch nicht gepflückt worden ist. Wir beide suchen einen wirklich gepflegten, großzügigen Herrn. Nicht nur für gelegentliche Besuche. Meine Tochter ist willig und lässt sich gern fotografieren. Wir erwarten eine großzügige monatliche Unterstützung. Wenn Sie Interesse haben, dann schreiben Sie unter Kennwort »Angelika« postlagernd Hauptpost Bierstadt.
Gleich morgen würde ich den Brief abschicken.
Eine Überraschung am frühen Morgen und ein gutes Frühstück
Das Telefon! Lämmchen holte mich in aller Frühe aus den Träumen. »Die Polizei war hier«, tönte er in mein verschlafenes Ohr.
Ich hatte Mühe, die Geister der Nacht aus meinem Kopf zu verjagen. »Ja und? Damit mussten Sie doch rechnen, oder?«, gähnte ich.
»Die wollten wissen, in welcher Beziehung ich zu Laura stand.«
»Und? Was haben Sie gesagt?« Ich war kurz angebunden, denn ich hasste es, vor dem Frühstück mit komplizierten Menschen zu reden.
»Ich habe erst mal nichts gesagt, auf Ihren Rat hin.«
Ich hörte wohl nicht recht! »Welchen Rat? Ich habe Ihnen keinen gegeben!«
Er war eingeschnappt. »Ich hatte nach unserem Gespräch neulich das Gefühl, dass die Polizei einen abgewiesenen Verehrer sucht. Und dass ich lieber den Mund halten sollte!«
Ich schüttelte im Geiste den Kopf über so viel Ungeschick. Ich sah ihn direkt vor mir, wie er mit seinen blassgrünen Augen durch das Kassengestell geguckt hatte, um erfahrenen Polizisten einen dicken Bären aufzubinden.
»Klar, die suchen einen abgewiesenen Verehrer. Ja und? Sie sind doch einer, oder? Warum haben Sie den Beamten nicht die Wahrheit gesagt? Die kriegen das sowieso heraus, und dann sind Sie der Dumme!«
Pause. Dann sagte er kleinlaut: »Ja, das war dumm von mir.«
Mitleid floss in mein Herz. »Na ja, es wird schon nicht so schlimm werden. Wenn die noch mal nachfragen, spielen Sie die Sache einfach herunter! Was wollte die Polizei sonst noch wissen?«
»Sie wollte Lauras letzte Fälle überprüfen. Doch Lauras letzte Akte ist verschwunden. Die mit dem Fall Beate Bartusch. Zuerst hat die Engler mich danach gefragt, und dann wollte die Polizei sie haben. Aber sie ist weg, nicht mehr zu finden … zumindest ist sie nicht im Büro.«
Ach du lieber Himmel! Mein Blick fiel auf meinen Schreibtisch. Dort lag die Akte und gab zum Glück keinen Ton von sich. »Und, wo könnte sie sein?«
»Eigentlich hätte sie auf Lauras Schreibtisch liegen müssen, da habe ich sie noch gestern gesehen.«
Jetzt war ich dran mit einer Kunstpause. »Vielleicht hat diese Frau Engler sie doch genommen«, sagte ich lahm, »wer ist das überhaupt?« Natürlich wusste ich, wer diese Engler war, die dritte Kraft in der Beratungsstelle.
Er fiel auf mein Ablenkungsmanöver rein. »Frau Engler ist bei uns für die Beratung vergewaltigter Frauen zuständig.«
»Und warum wollte sie die Akte mit Lauras letztem Fall haben? Haben Sie sie gefragt? Warum hat die sich dafür interessiert?«
»Keine Ahnung. Sie war auf jeden Fall wütend und hat mir unterstellt, dass ich die Akte hätte. Sie war ziemlich aufgelöst, weil sie nicht zu finden war.«
Merkwürdig, dachte ich, plötzlich interessieren sich alle für den »Fall Bartusch«.
»Und – was ist jetzt? Ist die Polizei wieder weg?«
»Nein. Zurzeit wird Frau Engler noch vernommen. Schon seit einer Stunde.«
»Was? Die Polizei ist noch da, und Sie rufen hier an? Haben Sie denen gesagt, dass ich gestern da war und dass ich Fragen gestellt habe?«
»Nein, es hat mich niemand
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