Grappa 02 - Grappas Treibjagd
genial, Peter!«, jauchzte ich. »Der lässt die Morgenausgabe beschlagnahmen, und alle Welt kennt die Story schon. Einfach super!«
»Ich mache nur noch das Layout für das Extrablatt. Schreib aber erst noch einen letzten Satz: Den, dass Ellenbogen gedroht hat, dir den Hals zu brechen, aber dass er sonst unseren Darstellungen nicht widersprochen hat.«
»Aber gerne«, gab ich zurück, »nichts, was ich zurzeit lieber täte. Bekommt die Polizei auch heute Abend noch ein Exemplar?«
»Ja, ich habe dafür gesorgt. Der Polizeipräsident ist heute Abend auf einer Podiumsdiskussion in der Stadthalle. Er will etwas zur Kriminalitätsrate bei Ausländern sagen …«
»Oh, das passt ja prima zum Thema! Er macht die Türken fertig, und ein aufrechter deutscher Ehrenmann ist der Teufel in Menschengestalt!«, freute ich mich.
»Eben. Und die 300 Leute im Saal bekommen die neuesten Nachrichten aus Bierstadt gleich per Extrablatt. Das ist doch ein ausgezeichneter Leserservice! Mal was anderes!«
»Peter, ich könnte dich küssen!«
»Später. Wenn die Chose so gelaufen ist, wie wir uns das vorstellen, dann feiern wir ein rauschendes Fest, eins, das es in Bierstadt noch nie gegeben hat! Und jetzt hau den Satz in die Tasten! Die Druckerei wartet darauf, dass ich den Artikel sende.«
Drei Stunden später kam der Rechtsanwalt von Professor Christian Ellenbogen und legte uns eine Einstweilige Anordnung vor, nach der wir die Morgenausgabe nicht ausliefern durften. Polizei tauchte im Morgengrauen im Druckhaus auf, untersuchte die bereits für den Vertrieb gebündelten Zeitungen und beschlagnahmte sie, weil der Artikel als Aufmacher auf der Eins prangte. Mit dem Foto von Ellenbogen aus der Polizeiakte aus Manila. Daneben ein Foto von Ellenbogens letztem Auftritt bei irgendeiner VIP-Feier.
Jeder erkannte, dass es derselbe Mann war. Nur der Hintergrund variierte. Ellenbogen vor einer kahlen Wand mit einem Nummernschild vor der nackten Brust und einem kläglichen Gesichtsausdruck, und der Herr Doktor auf einer blumengeschmückten Bühne mit strahlendem Lächeln in Siegerpose. Einmal nackt und einmal im Maßanzug.
Die Polizisten lasen den Artikel, und sie nahmen sich eine Zeitung mit, für ihren Präsidenten vermutlich. Doch der war schon gestern Abend in der Stadthalle informiert worden.
Die Anwälte des »Tageblattes« legten zwar unverzüglich Beschwerde gegen die Einstweilige Anordnung ein, doch die Zeitung durfte trotzdem »einstweilig« nicht ausgeliefert werden.
Und als die Lieferwagen vom Druckhaus leer wieder ins Depot zurückfuhren, murrten wir nicht. Denn immerhin hatten viele Bierstädter bereits ein Extrablatt in Form einer einzelnen Zeitungsseite in der Hand gehabt und eifrig gelesen.
In der Redaktion standen die ganze Nacht über die Telefone nicht still. Die Zustimmung über unser mutiges Handeln und der Abscheu vor unserer widerlichen Rufmordkampagne hielten sich die Waage. Im Morgengrauen schleppte ich mich todmüde nach Hause und fiel in meine Kissen. Ich dachte noch kurz an Beate und Laura. Die Sache war noch nicht zu Ende, sie hatte erst begonnen. Die erste Runde war an ihn gegangen, die zweite hatte ich gewonnen. Es stand unentschieden.
Die Schlinge zieht sich zu
Die Einstweilige Anordnung, die Ellenbogen in der Nacht erwirkt hatte, hielt nur etwa 12 Stunden. Die Beschwerde des »Tageblattes« hatte Erfolg. In der mündlichen Verhandlung über unseren Einspruch legten wir dem Gericht unser Beweismaterial vor. Das reichte dem Richter. Er entfernte Justitias Augenbinde von seinem Gesicht, sah klar, nahm eine symbolische Axt und haute das Urteil seines Kollegen in der Mitte durch. Wir jubelten und feierten den vorläufigen Sieg nach Punkten.
Am frühen Nachmittag fuhren die Wagen des »Tageblattes« die viereckigen Bündel aus, und die Boten konnten die Zeitungen in die Briefkästen unserer treuen Leser quetschen.
Ellenbogen und seine rabiaten Anwälte ließen es geschehen. Sie legten Beschwerde ein und kündigten eine Klage zur Hauptsache an. Das war alles.
Ellenbogen wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Er bezeichnete die Schriftstücke aus Manila als »dilettantische Fälschungen«. Doch diese Aussage überzeugte noch nicht einmal Dr. Wendelin. Er beantragte Haftbefehl, doch der Richter winkte ab. Keine Fluchtgefahr, so die Begründung.
In der Redaktion ging in diesen Tagen die Post ab. Das Fernsehen wollte Informationen und Interviews, Politmagazine stürzten sich auf die Geschichte, und
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