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Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Titel: Grappa 02 - Grappas Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Jansen und ich verbargen uns hinter einem Busch, und Naider schellte. Er straffte seine gestreifte Brust. Was würde er sagen? Wie wollte er sich Zugang zum Haus verschaffen? Ich war gespannt. Naider ist ein Meister der Improvisation, dachte ich, er wird leicht unterschätzt – auch von mir.
    »Wer ist dort?«, schnarrte eine verzerrte Stimme.
    »Hier ist Agnus Naider vom Forschungsinstitut und von der städtischen Beratungsstelle. Ich habe eine wichtige Nachricht zu überbringen!«
    Es knirschte in der Anlage. »Der Herr Professor ist nicht da! Das habe ich den Reportern auch schon gesagt! Er ist verreist. Gehen Sie jetzt bitte! Wir empfangen keinen Besuch!«
    »Ich will nicht zum Herrn Professor, ich will zu Frau Professor. Ich habe eine wichtige Nachricht von ihrem Mann für sie.«
    Stille. Die Besitzerin der Stimme dachte nach.
    »Kennt Frau Professor Sie denn überhaupt?«
    »Ja, natürlich. Sie soll aus dem Fenster schauen, dann wird sie mich sehen. Sie kennt mich, ich bin ein Mitarbeiter Ihres Mannes. Wollen Sie mich nicht endlich melden? Es ist lebenswichtig!«
    Naider überzeugte. Die Stimme meinte: »Moment. Ich werde sie fragen. Warten Sie, es dauert nicht lange!«
    Wenig später wurde das Tor geöffnet. Zu dritt schritten wir voran. Ich hielt mich im Hintergrund, denn Verena Ellenbogen kannte mich von der Ausstellung von Amadeus Augenstern. Jansen war ihr unbekannt.

Ein Haus voller Überraschungen
    Die Hausperle empfing uns und wies uns den Weg in den Salon.
    Französische Stil-Möbel mit Intarsien, blankes Parkett, altes Kristall in den Vitrinen und eine Schäferszene in Öl an der Wand – eine Allegorie der Antike, Daphnis und Chloe, das kindliche Liebespaar, das sich beim Schafehüten lieben lernt – Großbürgeridylle in dem lauschigen Schlösschen eines verbrecherischen Kinderfickers, dachte ich wütend. Ich hätte kotzen mögen. Doch bevor ich es tun konnte, erschien die Dame des Hauses. Das Gesicht wieder unbewegt und starr, doch die Augen waren verweint. Die Haare nicht mehr im Kindchenlook gedreht, sondern im Nacken zusammengesteckt. Die Kleidung korrekt und nicht mehr so verspielt wie am Abend der Kunstausstellung, sondern einer erwachsenen Frau um die vierzig angemessen.
    Ihr Blick fiel auf mich, und sie regte sich noch nicht mal auf. Sie lächelte sogar, wenn man ihren leicht verzerrten Gesichtsausdruck so nennen konnte.
    »Haben Sie ihn doch zur Strecke gebracht, ich gratuliere Ihnen, Frau Reporterin!«, sagte sie zu mir.
    Ich guckte sie dumm an, so überrascht war ich. Einen hysterischen Anfall hätte ich angemessener empfunden. Oder einen tätlichen Angriff. Doch nichts von alledem, sondern nur ein Lächeln und ein ironisch gemeintes Kompliment!
    »Setzen wir uns doch! Einen Drink?«, verblüffte sie uns weiter. Wollte sie Zeit gewinnen, indem sie uns in eine Unterhaltung zog?
    Vor Schreck schüttelten wir die Köpfe. Sie ging zu einem Kirschholzsekretär, öffnete die Klappe und goss ein. Es roch nach altem Sherry. Mit dem Glas in der Hand schlenderte sie zu einem Sessel und ließ sich fallen.
    »Also? Was wollen Sie hier?«
    »Wo ist Ihr Mann?«, fragte ich.
    »Er ist verreist. Für lange Zeit. Für sehr lange Zeit. Und hoffentlich für immer!«
    »Was soll das heißen?«
    »Er wird künftig im Ausland leben. Oder – Sie würden es so formulieren: Er hat sich abgesetzt, bevor er verhaftet werden konnte.«
    »Und Sie und die Kinder lässt er hier sitzen?«
    »Was soll er mit uns? Wir würden ihn doch nur stören bei seinen Hobbys!« Es klang bitter und voller Hass.
    »Wussten Sie etwa alles? Haben Sie gewusst, dass er ein …?« Ich suchte nach einem Wort, das sie nicht all zu sehr verletzen würde. Ich fand aber keins.
    »Ja, natürlich. Ich habe alles gewusst. Denn – auch wenn Sie es nicht für möglich halten, ich bin eins seiner Opfer. Er schlief mit mir, da war ich 13 und er 24. Mein Vater zwang ihn, mich zu heiraten, als ich 17 Jahre alt war. Doch da war ich ihm eigentlich schon zu alt. Viel zu alt. Denn je älter er wurde, desto jünger mussten seine Mädchen sein. Immer jünger, immer öfter und immer härter!«
    Sie sagte es in einem gleichgültigen Ton, als würde sie uns ihr Bratkartoffelrezept verraten.
    »Sie haben es die ganzen Jahre gewusst, dass er sich an Kindern vergreift? Und Sie haben es geduldet und nichts dagegen unternommen?«
    Sie lächelte wie eine Schlafwandlerin und goss den Sherry mit einem Zug hinunter.
    »Ich habe nichts verraten, das ist richtig. Wir

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