Grappa 03 - Grappa macht Theater
Beutelmoser. Das Buch hatte den Namen »Die Geschichte von Adam und Eve«.
Ich schaute auf meinen Terminkalender. Noch fünf Tage bis zur Vorstellung. Ich war nach wie vor davon überzeugt, dass es Nellos Werk war, das da vorgestellt werden sollte. Aber wie konnte ich es beweisen?
Ich musste mit Jansen reden.
Er hörte mir zu und sagte dann: »Wir müssen ein Manuskript auftreiben, das Nello als Autor des Buches ausweist.«
»Wie soll das geschehen? Ich habe nur die Seite 113 als Kopie. Die ist zwar eindeutig auf Nellos Schreibmaschine getippt worden, doch was besagt das schon?«
»Könnte es sein, dass Nello sein Manuskript auch irgendwo zur Veröffentlichung angeboten hat?«, fragte Jansen.
Ich wollte schon abwinken, doch dann erinnerte ich mich an etwas. »Peter! Das wäre eine Möglichkeit! In seinem Termin-Buch standen der Name und die Telefonnummer eines Verlages. Ich werde dort sofort anrufen!«
»Na also!«, brummte Jansen zufrieden. »Du hast noch fünf Tage Zeit bis zur großen Pressekonferenz. Streng dich an.«
Nachlassende Potenz und apfelförmige Brüste
Der Lektor des Strohwolt Verlages hielt sich bedeckt. Ich musste meine Deckung verlassen und ihm reinen Wein einschenken. Erst dann holte er das Manuskript hervor, das ihm Nello von Prätorius vor sechs Monaten angeboten hatte.
Der Mann hieß Schöller und entschied darüber, welche Autoren gedruckt wurden und welche nicht. Nellos Buch jedoch wollte er nicht herausbringen.
»Ältere Männer und junge Frauen, der Herbst des Lebens und die nachlassende Potenz – jedes zweite Manuskript handelt davon«, erklärte er mir, »da muss jemand schon ein großer Erzähler sein, um mit diesem Plot auf den Markt zu kommen. Und dieser Autor muss noch viel lernen.«
Ich entgegnete ihm, dass es mit der Weiterbildung wohl nichts werden könne, da der Autor überraschend das Zeitliche gesegnet hätte. Ich quengelte solange, bis er die 300 Seiten aus dem Schrank holte. Nello hatte seinem Werk den Titel »Menschwerdung« gegeben. Die Helden waren Adam und Eve.
»Schauen Sie mal auf Seite 113!«, bat ich. Durchs Telefon hörte ich ihn blättern.
»Hier ist sie«, sagte Schöller, »soll ich sie Ihnen vorlesen?«
»Nein, ich lese sie Ihnen vor, und Sie vergleichen.«
Ich las:
Sie wusste nicht, warum sie ihm gehorchte. Es war die Schärfe seiner Stimme, dachte sie dann. Mit einem bestimmten Griff hatte er ihr den Pullover über den Kopf gezogen. Ihr Gesicht zeigte keine Regung, weder Zustimmung noch Abscheu. Dann sagte sie: »Ist es nicht der Geist des nahenden Herbstes, dieses unbestimmte und doch vertraute Gefühl, das Sie zu dieser Handlung treibt?«
Er verharrte und wollte darüber nachdenken. Er hielt ihr den Pullover hin, unterwürfig, so, als wolle er sie um Verzeihung bitten für seinen unbedachten, todesmutigen Akt. Sie nahm das Kleidungsstück und ließ es achtlos fallen. Ihre apfelförmigen Brüste waren so nah, dass er sie hätte berühren können. Eine klassische Erotikszene, dachte Adam, nur zugreifen müsste ich.
»Eine schreckliche Szene«, stöhnte Schöller, »aber es ist derselbe Text! Die Seite 113 hört auf mit der oft bemühten Metapher vom Ikarus, der sich die Flügel verbrennt, während er die Sonne ansteuert. Dieses Bild kommt in fast jedem dritten Manuskript vor, das mir geschickt wird. Und über die apfelförmigen Brüste irgendwelcher Frauen schreibt jeder Möchtegern-Autor. Manchmal sind sie auch birnenförmig, und die Hinterteile ähneln einem Apfel. Nur über Orangenhaut schreibt keiner.«
»Sie hätten das Buch also nicht genommen?«
»Nein. Ich wollte es ihm in den nächsten Tagen zurückschicken.«
»Haben Sie Kontakt zu Herrn Prätorius gehabt?«
»Er hat mich mal angerufen, doch ich habe ihm gesagt, dass er es woanders versuchen soll.«
»Wie hat er reagiert?«
»Irgendwie beleidigt. Aber so reagieren die meisten. Jeder hält sich für Thomas Mann. Ich habe mich daran gewöhnt.«
»Der Kitschenheuer-und-Wiep-Verlag hat den Text genommen und bringt ihn nächste Woche heraus.«
»Na und? Ich bleibe dabei, dass es sich um den weinerlichen Endzeitgesang eines alternden Möchtegern-Casanovas und seiner Hure handelt. Das haben andere Schriftsteller tausendmal besser und vor allen Dingen erotischer beschrieben.«
»Können Sie mir das Manuskript schicken?«
»Wenn Sie sagen, dass Sie eine Verwandte des verstorbenen Autors sind …«
»Bin ich. Seelenverwandt.«
»Meinetwegen. Warum sollen wir unseren Kollegen von
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