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Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Titel: Grappa 05 - Grappa faengt Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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hinterlassen hatte. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, in kurzen Bermuda-Shorts und ärmellosen Blusen zum Apollon-Tempel hinaufzusteigen. Die Engländerinnen hatten einen Hang zu riesigen, billigen Strohhüten, die mit künstlichen Blumen oder grellfarbenen Ratterbändern verschönt wurden.
    Die Französinnen liebten die allerknappeste Version von Shorts. Auch die Mesdames über 50. Dazu Stöckelschuhe, die besonders für das Wandern auf den steinigen Wegen geeignet waren.
    Die Deutschen konnten als Praktiker identifiziert werden. Die Stoffhüte weiß, Hemden und Blusen aus fester Baumwolle. Um den Hals der Männer baumelte die Fotokamera oder der Camcorder, während die Damen mit geöffnetem Reiseführer überprüften, ob man sich auch wirklich in Delphi befände. Bei den Deutschen gab's noch weitere Varianten. Die Touristen aus Sachsen waren an ihren Anzügen aus Ballonseide zu erkennen, die ökologisch orientierten Wessis an den Rucksäcken, den Jogging-Schuhen und den Feldflaschen.
    Ich überlegte, zu welcher Kategorie ich gehörte. Meine Hose war aus Baumwolle, die Schuhe flach und praktisch, die Leinenbluse lang und weit. Auf dem Kopf trug ich einen Panamahut und vor den Augen eine Sonnenbrille mit verspiegelten Gläsern und buntem Gestell. Ich lag also irgendwo zwischen Öko-Freaks und Bildungs-Spießern.
    Meine Herde war im Gewühl der Menschen verschwunden. Ich nahm den Weg nach oben und hatte Mühe, zwischen den Reisegruppen hindurch zu kommen.
    Vor 3000 Jahren gab's hier auch schon jede Menge Trubel, dachte ich. Es wimmelte von Andenkenläden, Getränkeständen, Prostituierten, Wahrsagern, die ihr Geld machen wollten, einfachen und wohlhabenden Besuchern. Die Reichen stifteten Bauten und Geschenke, die Armen ein Huhn oder einen Scheffel Korn. Alles drehte sich um die Pythia. Diese saß auf ihrem Dreifuß im Erdgeschoss des Apollon-Tempels und orakelte. Die Priester stellten die Fragen, interpretierten die Antworten und hielten danach die Hand auf. Delphi war ein religiös geprägtes, antikes Disneyland gewesen.
    Ich stand vor dem Schatzhaus der Athener. Es war als Einziges der vielen Schatzhäuser wieder errichtet worden. Spatzen flogen ein und aus und zeterten. Ihr Nachwuchs war bereits flügge geworden.
    Die Wände des Schatzhauses waren über und über mit griechischen Buchstaben bedeckt. Ich bemühte den Reiseführer, der mir erzählte, dass es sich um zwei Hymnen an Apollon aus dem 2. Jahrhundert vor Christus handelte.
    Ich hatte die Spatzen verscheucht. Schimpfend saßen sie auf den Zweigen eines Baumes. Es war ein Lorbeerbaum, der heilige Baum des Apollon. Ich knipste ein Blatt ab, zerrieb es zwischen den Fingern und roch daran. Ein würziger Duft füllte meine Nasenlöcher.
    Apollon verfolgt Daphne, sie verwandelt sich in einen Lorbeer und wird so zur Baumnymphe. Der Vergewaltiger von Daphne Laurenz muss sich in der Mythologie auskennen, dachte ich. Damit würde Alfred Traunich aus dem Kreis der Verdächtigen ausscheiden.
    Sinnend ging ich weiter und erreichte einen großen Felsblock. Es war der Felsen der Sibylle. Hier hatte die Vorgängerin der späteren Pythien gesessen, zu einer Zeit, als das Orakel noch nicht Apollon, sondern der Erdmutter Gaia geweiht war.
    »Warum bleiben Sie nicht bei der Gruppe?«, fragte eine ungehaltene Stimme neben mir. Es war Kondis. Sein Atem ging schnell.
    »Ich mag keinen Herdenauftrieb«, entgegnete ich, »ich habe einen guten Reiseführer in Buchform, der mir alles erzählt, was ich wissen will. Außerdem habe ich Tonaufnahmen gemacht. Wo also liegt Ihr Problem?«
    Ich wollte an ihm vorbei, doch er hielt mich am Arm fest. »Frau Grappa, solche Extratouren erschweren meine Arbeit. Können Sie das nicht verstehen?«
    Es gelang ihm nur mühsam, seinen Zorn zu unterdrücken. Der Lauf durch die Sonne hatte ihn nicht nur atemlos, sondern auch noch schweißnass gemacht. So viel Aufwand!
    »Wo sind die anderen?«, lenkte ich ab.
    »Während Sie hier herumgebummelt sind, sind wir bereits im Stadion gewesen. Ganz oben am Berg. Pater Benedikt hat gemerkt, dass Sie nicht mehr da sind. Ich dachte, Ihnen sei etwas passiert.«
    »Niemand braucht sich um mich zu sorgen. Ich kann auf mich allein aufpassen«, gab ich bekannt und ging weiter.
    »Wie Sie meinen!«, sagte er verschnupft. Schweigend trotteten wir nebeneinander den Weg. Am Apollon-Tempel hörte ich einen Steinschmätzer. Er saß auf einer der sechs wieder errichteten Säulen und schmetterte sein »püt-ü,

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