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Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Grappa 05 - Grappa faengt Feuer

Titel: Grappa 05 - Grappa faengt Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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püt-ü« durch die klare Luft.
    »Leider ist das Innere des Tempels gesperrt«, sagte Kondis. »Sonst könnte ich Ihnen die drei Berühmtheiten dieses Tempels zeigen. In der Vorhalle sind zwei Sprüche eingemeißelt: ›Erkenne dich selbst‹ und ›Nichts im Übermaß‹. Und das geheimnisvolle große ›E‹, dessen Bedeutung noch heute ungeklärt ist.«
    »Erkenne dich selbst!«, wiederholte ich. »Genau das ist es! Wer sich selbst erkannt hat, ist frei!«
    »Vermutlich stammen diese Sätze von Pindar, dem großen griechischen Dichter, der lange Zeit Oberpriester in Delphi war. Er ist Verfasser der Oden. ›Liebe Seele, trachte nicht nach dem ewigen Leben, sondern schöpfe das Mögliche aus.‹ Das war ein Auszug aus der Dritten Pythischen Ode. Klingt doch sehr aktuell, oder?«
    »Erstaunlich. Er will sagen, dass man aus seinem Leben auf Erden das Beste machen soll«, interpretierte ich.
    Der Weg stieg an. Ich setzte meinen Hut ab und wedelte mir etwas Luft zu. Die Sonne brannte. Es war bald Mittag.
    »Sie wissen sehr viel über die griechische Antike«, bescheinigte ich ihm. »Ich liebe diese alten Geschichten, die zeigen, dass sich der Mensch seit Tausenden von Jahren nicht verändert hat. Die Sätze in der Vorhalle des Tempels sind der beste Beweis dafür. Was gäbe ich dafür, durch die Jahrtausende springen zu können und zu sehen, wie es wirklich war!«
    »Lassen Sie uns heute Nachmittag einen Ausflug in das Tal des Pleistos machen«, bat er. »Nur wir beide.«
    »Und warum?«
    »Wir sollten uns einmal gründlich unterhalten.«
    Der Gedanke gefiel mir. »Und die anderen?«, fragte ich dennoch.
    »Die wollen die Andenkenläden stürmen. Und sich entspannen. Die Sonne hat die alten Herrschaften ganz schön geschafft. Daphne wird sie beim Einkaufen begleiten. Ich leihe mir ein Auto, und wir fahren los. Sie werden diesen Ausflug nie vergessen, denn die Landschaft, durch die wir fahren werden, ist wunderbar. Also – sagen Sie ja?«
    »Warum nicht?«, entgegnete ich. »Dann kann ich in Ruhe ein Interview mit Ihnen machen.«
    Kondis lächelte. »Da oben kommen die anderen«, sagte er. »Ich denke, dass Sie genug gesehen haben. Oder sollen wir noch das Stadion besichtigen?«
    Ich winkte ab. Die Sonne stand weit oben am Himmel und würde dort eine Weile weiterglühen. Die Hitze nervte mich, meine Nase glänzte, und der Lidschatten dürfte sich verflüssigt haben. Auf dem Programm standen Restaurierungsarbeiten.
    Fröhlich schwatzend kam die Schafherde angetrabt. Almuth Traunich schwärmte vom Apollon-Tempel und dem Theater. Ihr Mann Alfred begutachtete derweil eine leicht bekleidete italienische Touristin, die sich malerisch vor dem Felsen der Sibylle in Pose setzte. Ihre schwarzen Shorts bedeckten nur das Nötigste. Der Gewerbehallen-Architekt unterbrach den Redefluss seiner Angetrauten mit einem herzhaften »Schnauze!« und glotzte weiter.
    Almuth Traunich erkannte die Lage und wandte sich resigniert von ihm ab. In ihren Augen wohnte ein Vierteljahrhundert Erniedrigung. Sie hatte das Weinen vor langer Zeit aufgegeben. Alfred Traunich hob die Fotokamera und feuerte die Italienerin an, die sich an den Stein schmiegte, als wolle sie ihn vergewaltigen.
    »Ekelhaft!«, kam es aus Dr. Waldemar Unbills Mund. Seine buschigen Augenbrauen zitterten vor Empörung. Sohnemann nickte eifrig, riskierte aber später ein paar Blicke, als sein Vater Pater Benedikt die polygonale Stützmauer der ionischen Halle aus der Entfernung zeigte.
    »Leider geht das Wissen unserer Reiseleitung nicht über ein volkstümliches Niveau hinaus«, nörgelte Unbill so laut, dass es jeder hören konnte, »sonst hätte man uns die Inschrift erklärt, die diese berühmte Halle ziert. ›Die Athener haben die Halle geweiht, samt den Waffen und Schiffsschnäbeln, die sie von den Feinden erbeuteten.‹ Dieser Satz bezieht sich auf einen Sieg der Athener gegen den Perserkönig Darius.«
    »Xerxes!«, rief Jason Kondis. »Der Perser hieß Xerxes! Verschonen Sie uns künftig mit Ihrem Halbwissen!«
    Waldemar Unbill schnappte nach Luft. Sohn Ajax sah es mit klammheimlicher Freude. Sein Schnurrbärtchen vibrierte erwartungsvoll.
    »Es war Darius!«, schrie Unbill mit sich überschlagender Stimme.
    »Herr Kondis hat recht!«, trompetete Almuth Traunich. »Hier steht's in meinem Kulturreiseführer. Der Perser war Xerxes, und den Sieg haben die Griechen in einer Seeschlacht errungen.«
    »Nicht die Griechen, die Athener!«, widersprach Unbill.
    »Lassen Sie uns

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