Grappa 06 - Grappa und der Wolf
Einer, der gegen Geld Aufträge übernimmt. Er tötet schnell und schmerzlos. Ein Profi. In seiner Branche ist er der Beste. Und der Teuerste.«
»Und warum musste Hermann Lasotta dran glauben?«
»Darüber liegen uns noch keine Erkenntnisse vor. Sicher ist, dass Lasotta über seine Organisation rege Kontakte ins Ausland hatte – wir ermitteln in dieser Richtung. Aber vielleicht ist es ja auch nichts Politisches – und wir liegen völlig falsch.«
Ich überlegte, ob ich Liliencron etwas von meinen spanischen Erlebnissen erzählen sollte. Von Carlotta und Carmen Roja, dem Fenstersturz und der Sachertorte aus Moskau. Ich brachte es nicht fertig. Hoffentlich muss ich nicht irgendwann dafür büßen und verliere mehr als nur ein Ohr, dachte ich.
»Bis vor zwei Wochen war unsere Behörde El Lobo auf der Spur«, fuhr Liliencron fort, »wir hatten eine Agentin auf ihn angesetzt, doch wir haben den Kontakt zur ihr verloren. Wahrscheinlich hat er die junge Frau umgebracht. Ich erzähle Ihnen das nur, weil Sie ja glauben, dass er Frauen nichts antut.«
Sprach er etwa von Carmen Roja? Mir wurde heiß.
»Ist Ihnen nicht gut?«, fragte der Ermittler besorgt. Er hatte mich genau beobachtet. Ich nahm mir vor, ihn nicht zu unterschätzen.
»Nein, es ist nichts«, wiegelte ich ab, »wo haben Sie El Lobos Spur verloren?«
»In Spanien. Genauer gesagt in Toledo. Warum interessiert Sie das?« Sein Blick lauerte.
»Nur so.« Das Lügen fiel mir schwer. Wenn El Lobo Carmen Roja auf dem Gewissen hatte, hatte er auch mit dem Verschwinden ihrer Tante Carlotta zu tun.
»Sie haben doch gerade Urlaub in Spanien gemacht«, sagte Liliencron beiläufig, »hat der Gewalttäter vielleicht dort schon Kontakt zu Ihnen aufgenommen?«
»Nein.« Jetzt waren nur noch knappe Antworten angesagt.
»Ich habe hier Ihre Hotelanmeldung aus Toledo.« Er wedelte mit einem Stückchen Papier.
Ich schwieg.
»Sie waren zur selben Zeit in Toledo, als wir El Lobos Spur verloren haben. Können Sie mir das erklären?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Sollte ich es können?«
»Das sollten Sie.« Liliencron machte eine Pause, in der er mich nicht aus den Augen ließ. Seine waren bernsteingelb und spitzelten. Die Unterlippe hatte er leicht geöffnet, sie gab die Zähne frei.
»Wie Sie wollen, Frau Grappa. Ich stelle fest, dass Sie nicht kooperativ sind. Schade. Dann kann uns auch niemand dafür verantwortlich machen, wenn Ihnen etwas zustößt.«
Liliencrons Ton war wieder hart und süßlich, auf seiner Zunge wanden sich Versprechungen und Drohungen wie Schlangen. Ich ordnete ihn auf meiner schwarzen Liste im Kopf auf einen der vordersten Plätze ein.
Ich erhob mich und merkte, dass meine Knie ein wenig zitterten. Mit der rechten Hand stützte ich mich auf dem Schreibtisch ab. Wie mussten sich Leute fühlen, die von ihm richtig in die Mangel genommen wurden?
Mein Blick fiel auf Willis Drehkassette. Sie lag auf der Tischplatte. Meine Laune besserte sich.
»Konnten Sie mit dem Material etwas anfangen?«, fragte ich scheinheilig und deutete mit dem Kinn auf die graue Schachtel.
»Gute Aufnahmen«, nickte Liliencron, »besonders die Stelle, an der das Siegerpferd die Zielgerade erreicht. Meine Ermittlungen sind dadurch sehr viel weiter gekommen.«
Ich prustete los. »Na also, es geht doch mit dem Humor!«, sagte ich aufmunternd.
Er schaute mich wortlos an. Wenn Blicke wirklich töten könnten, wäre ich umgekippt.
Drei Bier
»Ich muss mehr über diese Organisation wissen«, sagte ich zu Peter Jansen, »ohne die klassische journalistische Recherche geht es einfach nicht. Also – nix wie ran an die fünf großen W.«
Wir saßen in meinem Büro, ich hatte ihm die Story gerade in einer Kurzfassung serviert.
»Grappa, du wirst seriös«, behauptete Jansen, »bisher bestanden die fünf W bei dir aus den vier elementaren Fragen: Wer hat was davon? Was soll der Quatsch? Wen interessiert das überhaupt? – und als Frage Nummer 1 – Wo ist der Kaffee?«
»Ich könnte mich ausschütten vor Lachen«, schnippte ich, »die heißen Storys, die ich für diese Zeitung rangeschleppt habe, kannst du bei anderen vergebens suchen. Wie oft habe ich mein Leben, meine Gesundheit und vieles mehr für dieses verdammte Blatt riskiert …«
»Wir alle wissen doch, dass du unsere Heldin bist, unser Idol, die unvergleichliche Grappa …« Jansen breitete die Arme aus, als stünde er vor einem Millionenpublikum. »Grappa, wir danken dir! Du zeigst uns jeden Tag aufs Neue,
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