Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
Vom Netzwerk:
getürmt, ohne sich von mir zu verabschieden. Wie hätte er mir auch tschüss sagen können? Ich lag seit ein paar Tagen in der Klinik, von der Außenwelt abgeschirmt. Es wurde Zeit, mich wieder einzumischen.
    Langsam quälte ich mich aus meinem Bett, um in den Waschraum zu gehen. Laufen konnte ich leidlich, nur mit dem Gleichgewichtsempfinden haperte es noch etwas. Ich tastete mich am Bettrahmen entlang, schaffte den Meter bis zur Wand ohne Probleme und war schon an der Badezimmertür.
    Als ich sie öffnete, zeigte mir der Wandspiegel das Gesicht einer geschundenen Kreatur. Meine Augen waren glanzlos und klein, die Tränensäcke blutunterlaufen, die Lippen blaulila. Jede Farbe war aus meinem Teint gewichen, er war noch weißer als der riesige Verband, den ich um den Kopf gewickelt trug. Einige Sekunden lang starrte ich mir selbst in die Augen. Dann griffen meine Hände nach oben, und ich begann, den Verband vorsichtig vom Kopf zu wickeln. Schließlich lag er im Waschbecken.
    Mit einem Handspiegel schaute ich mir die Wunde an. Die Ärzte hatten rund um die Verletzung meine roten Haare abrasiert. Ich trug eine Tonsur an der falschen Stelle, und das, obwohl ich bereits seit 20 Jahren aus der Kirche ausgetreten war!
    Tränen füllten meine Augen. Es würde Jahre dauern, bis die Haare wieder so waren wie vorher. Völlig gebrochen steuerte ich mein Bett an. Der Tag war für mich gelaufen.
    Ich lag kaum, als eine Häubchenträgerin ins Zimmer stürmte. »Wo ist der Verband?«, fragte sie streng.
    Ich deutete mit dem Kinn aufs Badezimmer. Wenige Minuten später hatte ich einen neuen Turban auf meinem malträtierten Haupt.
    Die Krankenschwester ging, drehte sich in der Tür aber noch einmal um, wie es amerikanische Schauspieler in Kriminalfilmen tun.
    »Da sind Blumen für Sie abgegeben worden«, sagte sie, »ein Riesenstrauß.«
    Sie wartete meine Reaktion nicht ab und kam wenige Sekunden später mit einem Bukett gelber Rosen zurück, die bereits im Wasser standen. Als ich allein war, suchte ich zwischen den Pflanzen nach einer Karte. Nichts. Auch egal, dachte ich. Ich wollte nur noch schlafen.
    Als ich halb eingenickt war, bimmelte das Telefon.
    »Hallo, Frau Grappa«, sagte die kühle, sanfte Stimme des Killers, »ich wünsche Ihnen gute Besserung. Ich hoffe, die gelben Rosen sagen Ihnen zu.«

Neuer Haarschnitt und alte Torte
    Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus ging ich zuerst zum Friseur, ließ mein Haar superkurz schneiden und mit feuerrot färbendem Henna behandeln. Es sah noch nicht einmal übel aus. Mir ging es wieder gut, ich strotzte vor Tatendrang.
    Ich war zwar noch krankgeschrieben – aber das war gut so. Als Erstes würde ich Willi Wurbs suchen, der noch immer irgendwo untergekrochen sein musste. Sein Sender hatte freiwillig einen Widerruf gebracht, Hilfe ohne Grenzen hatte daraufhin auf eine Schadenersatzklage verzichtet. Willi war also noch halbwegs ungeschoren davongekommen und hatte keinen Grund mehr, in seinem Versteck zu bleiben.
    Ich hatte direkt vor dem Friseursalon einen Parkplatz gefunden. Den Schlüssel schon in der Hand wurde ich von Dr. Egbert von Liliencron angesprochen.
    »Ich muss dringend mit Ihnen reden!«, bat er.
    »Ich aber mit Ihnen nicht«, schnippte ich zurück. »Oder ist das eine polizeiliche Vernehmung?«
    »Nein«, räumte er ein. Es klang kleinlaut und gar nicht mehr so nassforsch wie bei unserem letzten Kontakt. Der BKA-Ermittler trug eine zerknitterte Jacke, hatte einen Dreitagebart und einen übernächtigten Blick.
    »Gehen wir in das Café da drüben«, schlug ich vor, »da gibt's eine hinreißende Schokolade mit Sahne.«
    Liliencron trottete hinter mir her. Entweder zog er die Schau vom »verzweifelten Polizisten« ab, oder es ging ihm wirklich schlecht.
    »Ein Stück Sachertorte«, bestellte ich am Kuchenbüffet. Liliencron zuckte zusammen. Also weiß er was, dachte ich, jetzt muss ich aufpassen. Die Bedienung gab mir den Kuchenteller gleich mit. Wir fanden einen Tisch in einer Nische, genau geeignet für ein Gespräch zu zweit, das niemanden etwas anging. Fröhlich bearbeitete ich das Stück Sachertorte mit der Kuchengabel.
    »Ist gut«, lobte ich mit vollem Mund, »Sie sollten den Kuchen auch mal kosten …«
    Liliencron winkte die Kellnerin heran und orderte ein stilles Mineralwasser und einen Underberg. »Mein Magen«, sagte er entschuldigend.
    »Also – was gibt es?« Ich wollte gleich zur Sache kommen.
    »Sie sind meine einzige Chance, an El Lobo

Weitere Kostenlose Bücher