Grappa 06 - Grappa und der Wolf
schrägen Töne des Saxofonspielers wurden immer erträglicher, je weiter ich mich von der Galerie entfernte.
Auf dem Parkplatz öffnete ich die Fahrertür meines Wagens. Dabei fiel mir der Ausstellungskatalog aus der Hand. Ich bückte mich danach. Plötzlich spürte ich einen dumpfen Schlag am Hinterkopf. Mir war noch, als hörte ich mich schreien.
Zwei Ohren und viele gelbe Rosen
Als ich aufwachte, saß Dr. Egbert von Liliencron an meinem Lager. »Sie schon wieder!«, knurrte ich benommen.
Er gurrte: »Na, na, Frau Grappa!«
Ein Mann in einem weißen Kittel meinte erfreut: »Sie spricht, und sie scheint Sie erkannt zu haben.«
»Schaffen Sie den Kerl aus meinem Zimmer«, krächzte ich. Mir war hundeelend, der Schädel brummte, und die Augen brannten. Ich tastete mit den Fingern meinen Kopf ab, er schien in ein turbanähnliches Textil gewickelt zu sein.
Der weiße Mann zupfte Liliencron am Ärmel. »Kommen Sie!« Sein Ton ließ keinen Widerspruch zu. Der BKA-Mann trollte sich.
»Was ist passiert?«, wollte ich von dem Arzt wissen.
»Jemand hat auf Sie geschossen. Keine Angst, es war nur ein Streifschuss. Sie haben eine Fleischwunde und eine schwere Gehirnerschütterung.«
»Wer war es?«
»Der Täter konnte fliehen. Aber die Polizei hat die Kugel gefunden.«
»Ich habe mich nach einem Katalog gebückt … mehr weiß ich nicht.«
»Das hat Ihnen das Leben gerettet«, teilte der Arzt mit, »sonst wäre die Kugel in Ihre Schläfe eingedrungen.«
»Wie lange liege ich schon hier?«
»Drei Tage.«
»Wann kann ich hier raus?«
Der Arzt lachte. »Sie haben Nerven! Daran ist noch nicht zu denken. Sie scheinen da in eine gefährliche Sache reingeraten zu sein. Draußen stehen zwei Polizisten vor der Tür und bewachen Ihr Zimmer.«
»Warum?« Ich begriff nicht gleich.
»Falls der Täter es noch mal versucht. Herr von Liliencron hat es angeordnet. Sie scheinen in schlimme Dinge verwickelt zu sein, junge Frau.«
Ich nickte. »Deshalb brauche ich auch dringend ein Telefon. Könnten Sie das veranlassen?«
»Kein Problem. Gleich kommt eine Schwester und stöpselt es ein. Sonst noch Wünsche?«
»Champagner, Hummer und Mousse au chocolat.« Ich versuchte den Kopf zu drehen. Mein Gehirn taumelte gegen die Schädelwand. Übelkeit kam in mir hoch. Ich legte die Hände auf den Turban.
Da fiel mir etwas ein. »Habe ich außer der Kopfwunde noch andere Verletzungen?«
Der Arzt beruhigte mich. Ich tastete zaghaft mit beiden Händen unter den Verband. Tatsächlich, meine beiden Ohren waren noch dran.
Zwanzig Minuten später saß ich einigermaßen aufrecht in meinem Bett, hatte mein Telefonverzeichnis auf den Knien liegen und ein Telefon an meiner Seite. Liliencron war zum Glück nicht wieder aufgetaucht. Ein Big Mäc hat mehr Persönlichkeit als der, dachte ich. Ich drückte die Tasten und hatte Hauptkommissar Brinkhoff am Rohr.
»Wie geht es Ihnen, Frau Grappa?«, fragte er zuerst.
»Wie es jemandem geht, der Gevatter Tod gerade noch mal von der Schippe gehüpft ist«, meinte ich mit Dramatik in der Stimme. »Wer hat auf mich geschossen?«
»Darüber gibt es unterschiedliche Vermutungen«, berichtete der Kripomann, »Liliencron will die Sache El Lobo in die Schuhe schieben.«
»Und Sie? Was denken Sie?«
»Dass es nicht El Lobo war. Er hätte getroffen, und wir könnten uns jetzt nicht mehr unterhalten. Sie müssen jemand anderem auf die Füße getreten sein.«
»Ich glaube auch nicht, dass es der Wolf war. Er tötet keine Frauen. Das hat er mir gesagt, und ich glaube ihm. Leider habe ich nicht die geringste Idee, wer sonst dahinter stecken könnte.«
»Wir ermitteln weiter«, versprach Brinkhoff, »was gibt es sonst noch Neues? Hat sich der Wolf bei Ihnen noch mal gemeldet?«
»Nein. Und wenn, dann wüsste die Kripo es. Schließlich wird mein Telefon abgehört. Aber warum interessiert Sie das? Ich dachte, Sie sind raus aus der Sache.«
»Nicht ganz«, widersprach der Hauptkommissar, »ich führe die Ermittlungen gegen die Fernsehproduktionsgesellschaft Tele Modern Life wegen übler Nachrede, Beleidigung, Rufschädigung und so weiter und so fort. Leider ist dieser Reporter nicht auffindbar. Willibald Wurbs. Könnten Sie mir da einen Tipp geben?«
»Haben Sie's bei ihm zu Hause versucht?«
»Die Polizei ist nicht ganz so dumm, wie Sie glauben. Es geht keiner an die Tür. Wenn er sich bei Ihnen meldet, lassen Sie es mich wissen.«
»Mal sehen.«
Nach dem Gespräch kam ich ins Grübeln. Willi war also
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