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Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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nicht sofort antwortete, holte die Angestellte eine Vorlage unter dem Tresen hervor und legte sie mir seufzend vor.
    Mit einem bereits perfekt gefeilten Zeigefingernagel deutete sie auf ein quadratisches Kästchen. »Nehmen Sie das«, schlug sie vor, »im Kasten ist es auffälliger.«
    Sie nannte den Preis, ich stimmte zu. Der Rest des Deals ging zügig über die Bühne, ich bezahlte an der Kasse und verließ die Anzeigenannahme. Der Mann, der in meinem Rücken gewartet hatte, lungerte vor dem Schaufenster herum und tat so, als würde er die dort ausgehängte Zeitungsausgabe lesen. Ich stellte mich neben ihn. Jetzt oder nie, dachte ich. Wenn er der Wolf ist, werde ich es bestimmt merken.
    »Warten Sie auf mich?«, sprach ich ihn an.
    »Suchen Sie einen Mann?« Sein Blick war neugierig.
    »Was können Sie denn?«
    »Was sollte ich denn können?« Im Mundwinkel des Burschen sammelte sich Speichel.
    »Meinen Flur putzen. Unkraut jäten.«
    Sein Interesse erstarb. »Ich dachte, Sie …«
    »Männer sollten nicht denken«, riet ich ihm, »das liegt ihnen nicht besonders.«
    Ich wandte mich ab. Die Fußgängerzone, Bierstadts »Goldene Meile«, begann sich mit Menschen zu füllen. Es war kurz nach 9 Uhr. Ich war früh aufgestanden, weil ich vor meiner Spanienreise noch allerhand zu besorgen hatte. In fünf Tagen wollte ich los, nachdem die Anzeige in der Zeitung erschienen war. Peter Jansen hatte die Dienstreise genehmigt und mir den Tipp mit dem Leibwächter gegeben.
    Mein Magen knurrte. Ich hatte noch nicht gefrühstückt. Ein Stehcafé bot zwei belegte Brötchenhälften und ein Kännchen Kaffee zu einem akzeptablen Preis an. Ich bestellte zwei Vierkornbrötchen mit Käse. Der heiße Kaffee belebte mein Gehirn. Wer würde sich auf die Anzeige melden? Vermutlich jede Menge gescheiterter Existenzen, die sich auf meine Kosten einen Spaß machen wollten.
    Ich kramte die Vorlage aus der Jackentasche und las: Journalistin mit gefährl. Auftrag su. männl. Schutz für Auslandsreise. Taschengeld, Spesen und Kosten vor Ort werd. übern. Fremdsprachenkenntn. Bedingung, Waffenschein erforderl. Keine sex. Interessen. Angebote unter Tel.
    Dass die Reise nach Spanien gehen sollte, hatte ich verschwiegen. Falls BKA-Ermittler Liliencron die Anzeige lesen würde, könnte ich ihm erzählen, ich wolle in die Schweiz, um Geld von meinem Nummernkonto abzuheben. Natürlich wäre eine Chiffreanzeige besser gewesen, doch so viel Zeit hatte ich nicht.
    Ich knusperte die Brötchen auf, fegte die Krümel von meiner Jacke und startete in Richtung Kaufhaus. In Spanien herrschte bestimmt eine sommerliche Hitzewelle, es war inzwischen Juli, und ich hatte mal wieder nichts anzuziehen. Ich kaufte zwei bequeme Hosen, ein paar Schuhe, in denen ich schnell weglaufen, einen Herrenstrohhut, den ich tief ins Gesicht ziehen konnte, und Waschmittel in der Tube. Neben dem Kaufhaus war ein Kofferladen, der geräumige Rucksäcke im Angebot hatte. Genau das Richtige, falls ich mitsamt meinem Gepäck flüchten musste.
    Ich nahm dann doch einen Koffer. Schließlich würde ich das Teil nicht selbst schleppen müssen – mit einem starken Bodyguard im Schlepptau.
    Als ich die neu erstandenen Teile in meinem Auto verstaute, kam ich mir ziemlich lächerlich vor. Ich benahm mich, als sei ich Bestandteil eines schlechten Agentenfilms. Was soll's, dachte ich, außergewöhnliche Situationen erfordern unkonventionelle Aktionen.

Ein süßer Zahn
    Willi Wurbs bewohnte ein kleines Junggesellenappartement in der Bierstädter City. Das Haus war zweckmäßig gebaut worden und für Mieter gedacht, die hier nicht lebten, sondern nur ihre Nächte verbrachten. Menschen, die in Bierstadt arbeiteten, aber ihre Heimat woanders hatten.
    Hauptkommissar Brinkhoff hatte seinen Wagen bedächtig und unter akribischer Beachtung der Straßenverkehrsregeln in die Sackgasse gelenkt. Ich hatte ihn überredet, mit mir zu Willis Wohnung zu fahren. Wurbs' Behausung war mir zwar fremd, aber ich wusste, dass es einen Fernseher namens Sony und eine Katze namens Susi gab und dass seine Einrichtung aus alten Möbeln und einem großen Radio bestand, in dem der Polizeifunk einbetoniert war.
    Mein Herz klopfte, als Brinkhoff die Hausmeisterin aus der Parterrewohnung bat, die Wohnung des Herrn Wurbs aufzuschließen. Sie wurde erst dann freundlich, als der Hauptkommissar seine Dienstmarke zückte.
    »Wir sollten zuerst mal schellen«, schlug ich vor, als wir zu dritt vor der weiß gestrichenen Wohnungstür

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