Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
Vom Netzwerk:
rappelte sich hoch und trottete hinter mir her. Der Mann ging zielstrebig zu einem hellen Kleinwagen, der etwa hundert Meter vom grauen Haus entfernt geparkt stand. Er schaute nicht auf, als er sich eilig hinters Steuer klemmte. Unser Mietwagen wartete nur ein paar Meter entfernt.
    »Du fährst«, zischte ich Rocky zu.
    »Ich kann nicht!«, kam es kläglich.
    »Ich dachte, dein Kreuz ist wieder in Ordnung!«
    Der Unbekannte startete sein Gefährt.
    »Ich habe keinen Führerschein!«
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, zeterte ich. »Warum habe ich dich eigentlich mitgenommen? Meinen Koffer schleppe ich allein, den Wagen fahre ich, ich bin deine Krankenschwester und bezahle auch noch alles! Verdammt noch mal …«
    »Da fährt er!« Der helle Kleinwagen zog flott an uns vorbei.
    »Kannst du wenigstens allein einsteigen? Oder soll ich dich hintragen?«, brüllte ich.
    Rocky erwachte aus seiner Erstarrung, lief zur Beifahrerseite, öffnete die Tür und ließ sich mit einem unterdrückten Schmerzensschrei in die Polster fallen. Ich startete den Wagen, gab zu viel Gas und würgte den Motor ab.
    »Scheiße!«
    Beim zweiten Mal klappte es. Zum Glück war die Straße, an der das graue Haus lag, ziemlich gerade und bot eine gute Sicht. Nach kurzer Zeit hatte ich den hellen Wagen wieder im Blickfeld.
    »Tut mir leid!«, kam es zerknirscht von nebenan.
    Der helle Wagen schlängelte sich wie ein kleines Insekt zwischen parkenden Autos, knatternden Mopeds und langsamen Fahrrädern hindurch. Der Verkehr nahm zu, wir fuhren aus der Altstadt hinaus und gelangten in ein modernes Geschäftsviertel. Der Wagen hielt plötzlich an, der Unbekannte schaltete die Warnblinkanlage ein, stieg aus und ging eilig durch eine Tür.
    »Er will bestimmt dort oben hin!« Rocky deutete auf die erste Etage des Bürohauses. Auf die drei großen Fenster war das Zeichen der russischen Fluggesellschaft »Aeroflot« gemalt. Ich dachte daran, dass die Sachertorte aus Moskau kommen sollte.
    Der Mann schien ein Anhänger kurzer Besuche zu sein, denn da war er schon wieder. In der Hand trug er ein kleines Kuvert. Ich tippte auf ein Flugticket.
    Der Wagen des Unbekannten reihte sich erneut in den Verkehr ein. Wir blieben dran und gelangten an einen großen Parkplatz. Der Mann steuerte eine freie Bucht an, ich bog in die Parallelreihe ein und stoppte dort. Im Rückspiegel sah ich, wie der Mann sein nächstes Ziel zu Fuß ansteuerte, die Kathedrale von Toledo. Ihre beiden Türme, einer spitz und der andere von einer Kuppel gekrönt, erhoben sich mächtig über den hellen sauberen Platz. Der Unbekannte lief schnell, unter den rechten Arm hatte er einen größeren Umschlag geklemmt.
    Ich scheuchte Rocky hinaus. »Ich gehe allein, du wartest hier und behältst sein Auto im Auge. Schau es dir mal näher an. Wir treffen uns wieder an unserem Wagen. Es ist besser, der Typ sieht uns nicht zusammen! Und merk dir alles, was er tut.« Weg war ich.
    Der Mann hatte die Kathedrale bereits durch das Hauptportal betreten. Kühle Luft schlug mir entgegen. Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dämmerung. Das Gotteshaus hatte mehrere Schiffe, in denen hölzerne Betgestühle standen. Ich sah die Schatten von knienden, in sich versunkenen Menschen, deren Hände gefaltet waren.
    Dazwischen Grüppchen von Touristen, die von ihren Reiseleitern durch das Innere des riesigen Baus getrieben wurden. Das Raunen der Besucher und der erlernte Singsang von gemurmelten Gebeten gaben der Szene einen beklemmenden Charakter.
    Plötzlich entdeckte ich den Mann wieder. Er kniete in einem Seitenschiff und schien ins Gebet versunken. Mein Mut wuchs, und ich pirschte mich heran, setzte mich zwei Reihen hinter dem Unbekannten auf die Bank und wartete ab. Meine Augen verbarg ich im Schatten des Sonnenhutes. Silencio – Lugar sagrado war auf einem handgemalten Plakat zu lesen, und gleich daneben erfuhren die Besucher, in welchem Teil der Kathedrale sie sich befanden: In der Capilla del Santisimo.
    Der Mann bekreuzigte sich und stand auf. Als er in die Tasche seiner dunklen Jacke griff, bemerkte ich, dass er keinen Umschlag mehr bei sich hatte. Er musste ihn jemandem gegeben haben, und ich hatte nichts gesehen!
    Der Mann stand nun vor einem kleinen Altarbild, vor dem Lichter brannten. Er warf einige Münzen in einen Schlitz und drückte auf einen Knopf. Dann bekreuzigte er sich noch einmal und bog ab Richtung Ausgang.
    Ich trat an das Altarbild, doch da war nichts. Der Unbekannte hatte ein Licht

Weitere Kostenlose Bücher