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Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Tisch herüberzuschauen. Zum Glück saßen rechts und links von mir noch einige Leute, auch Touristen waren dabei; und die haben ja meistens Kameras.
    Der Mann überquerte die Straße und kam direkt auf mich zu. Mein Herz pochte. Ich ließ das Tuch von meinen Schultern rutschen und legte es über das schwarze Kameragehäuse auf dem Stuhl. Mit einem Zahnstocher spießte ich die Oliven auf, die auf einem kleinen Teller vor mir standen, und ließ sie in den Mund gleiten.
    Jetzt stand der Mann nur noch anderthalb Meter von mir entfernt. Er hatte dunkles dichtes Haar, das zu lang war und deshalb in sein Gesicht fiel. Er hob den Unterarm an und streifte sich den Blick frei. Seine Augen musterten die Leute, die hier saßen und mehr oder weniger lebhaft miteinander schwatzten. Ich blätterte in meinem Reiseführer. Eine kleine Weile blieb der Blick des Unbekannten auf mir liegen. Ich lächelte ihn auf die Art an, in der Frauen attraktive Spanier anlächeln würden. Der grüne Mann lächelte ebenfalls, doch nur mit dem Mund und nicht mit den Augen. Die suchten jetzt das Innere der Tapa-Bar nach dem Urheber des Blitzlichts ab. Ich widmete mich weiter den Oliven vor mir und machte ein harmloses Touristengesicht. Als der Barmann zur Tür herausschaute, winkte ich ihn heran.
    »La cuenta por favor!«
    Im Augenwinkel sah ich, wie sich der »Grüne« umdrehte und in der Dämmerung verschwand. Ich bezahlte die Rechnung und legte ein sattes Trinkgeld drauf. Für alle Fälle blieb ich noch eine Viertelstunde sitzen, machte mich dann auf den Weg. Niemand verfolgte mich.
    Erst im Hotel ließ meine Anspannung nach. Meine Nerven war nicht mehr die besten. Wie erst würde ich reagieren, wenn's mal richtig brenzlig würde? Grappa, dachte ich, deine besten Jahre sind vorbei. Früher warst du eiskalt und rotzfrech, heute kriegst du Hitzewellen und Kälteschauer bei der kleinsten Aufregung. Ob die Wechseljahre mir bereits von Ferne zuwinkten? Quatsch, überlegte ich, frau ist so alt, wie sie sich anfühlt. Mit weichen Knien betrat ich den Lift und ließ mich hochheben.
    Auf dem Weg in mein Zimmer kam ich an Rockys Zimmer vorbei. Hoffentlich schläft er sich gesund, der Arme, dachte ich. Die gerade überstandene Gefahr hatte mich milde gestimmt. Ich nahm mir vor, netter zu ihm zu sein. Ich legte mein Ohr an die Tür. Rockys Stimme klang durch die dünne Tür. Ich konnte deutlich hören, wie er sagte: »Ich werde mich wieder melden, wenn ich mehr weiß.«

Die Stadt und ihre Straßen
    Rocky Jedwabski saß bereits quietschvergnügt im Frühstücksraum, als ich durch die Tür trat. Die Produkte der europäischen Pharmaindustrie hatten alle Erwartungen erfüllt. Die Tabletten hatten ihm prima geholfen. Er sei nur noch ein bisschen steif im Kreuz, gestand er, morgen würde er wieder topfit sein. »Voll auf dem Dampfer!«
    Ich betrachtete ihn. Sein Jungengesicht trug noch die Falten des Kopfkissens auf der Haut. Das blonde, kurz geschnittene Haar stand kreuz und quer zur äußeren Form des Schädels. Er hatte sich mein Entsetzen über sein Safari-Outfit wohl zu Herzen genommen, denn er trug ein schlichtes helles T-Shirt und eine einfache Jeans. Auch die martialischen Springerstiefel waren im Zimmer geblieben.
    »Eigentlich sind Sie ein ganz hübscher Bursche«, fasste ich das zusammen, was ich gerade begutachtet hatte. »Tut mir leid, dass ich gestern etwas grob zu Ihnen war.«
    Ich winkte den Kellner heran und bestellte ein etwas üppigeres Frühstück, als es in Spanien üblich war. Die Leute hier verdrückten allenfalls einen kleinen, in Fett gebackenen Teigkringel und eine Minitasse schwarzen Kaffee.
    Ich berichtete von meiner Observierung am gestrigen Abend.
    »Als ich ins Hotel zurückkam, habe ich an Ihrer Tür gehorcht. Mit wem haben Sie telefoniert?«
    Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. »Mit meiner Mutter«, sagte er nach einer kleinen Pause, »sie macht sich Sorgen, wenn ich mich nicht melde. Ich habe ihr nur …«
    »Ist gut«, unterbrach ich ihn, »ich hoffe, ich kann mich auf Sie verlassen. Wenn Sie ein mieses Spiel treiben, komme ich sowieso dahinter. Sagen Sie lieber gleich, was Sache ist!«
    Sein Blick war ehrlich. Aber mit meiner Menschenkenntnis war es leider nicht weit her. Zu oft hatte ich Menschen geglaubt, weil sie mir sympathisch waren, zu oft war ich reingelegt worden. Aber – ein bisschen Risiko ist halt immer dabei, dachte ich.
    »Der Mann gestern Abend war bestimmt dieser Killer!«, lenkte Rocky ab.
    »Das glaube

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