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Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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ich nicht. El Lobo kennt mich. Er hat mich bei der Beerdigung von Lasotta gesehen, weiß also, wie ich aussehe. Dem Typen von gestern war mein Gesicht völlig unbekannt. Kommen Sie! Wir müssen zu dem Haus zurück und die alte Frau fragen, welche Leute in dieser Firma ein und aus gehen. Und dann setzen wir uns in die Bar und warten auf den Mann. Und wenn er kommt, dann verfolgen wir ihn.« Ich war Feuer und Flamme.
    »Wir brauchen eine Waffe«, meinte Rocky entschlossen.
    »Brauchen wir nicht. Zuerst beobachten wir nur. Wir sehen aus wie harmlose Touristen, von denen es in Toledo Tausende gibt. Bis Sie eine Waffe organisiert haben, können Tage vergehen.«
    »Sollen wir uns nicht lieber duzen?«, fragte Rocky. »Das ist vielleicht unauffälliger.«
    »Einverstanden. Hast du deine Pillen für heute schon genommen, kleiner Bruder?«
    »Gleich mit dem ersten Stück Brot. Ich fühle mich blendend. Könnte Bäume ausreißen.«
    »Immer langsam. Krame lieber deine Spanischkenntnisse zusammen. Wo hast du diese schöne Sprache noch mal gelernt?«
    »Ich war Türsteher in einer Disco in Arenal. Mallorca. Das ist eine Insel im …«
    »Ich weiß, wo Mallorca ist. Also los!«
    Wir nahmen das Auto, falls eine Verfolgungsjagd angesagt wäre. Fast genau vor dem grauen Haus fanden wir einen Parkplatz.
    »Da oben ist die Frau aus dem Fenster geflogen. Dritter Stock«, raunte ich Rocky zu, als er sich – noch ein bisschen unbeweglich im mittleren Beckenbereich – aus dem Auto schraubte.
    »Da oben?«, fragte er und deutete mit dem Finger nach oben.
    »Mein Gott!« Ich war genervt. »Kannst du dich nicht ein bisschen dezenter benehmen?«
    »'tschuldigung.«
    Wenige Minuten später waren wir beide über die Mauer geklettert und hatten den Hinterhof erreicht. Rocky verwickelte die alte Frau, die – wie gestern Abend – vor ihrem Kräuterbeet saß, in ein ausführliches, spanisches Gespräch.
    »Der Mann kommt immer am späten Nachmittag. Er leert den Briefkasten und telefoniert. Manchmal kommen auch andere Leute, doch nur für kurze Zeit. Niemand übernachtet dort oben. Die Firma bekommt ziemlich viel Post und ausländische Zeitungen. Die Alte hat ein Zimmer in diesem Bau hier. Putzt ab und zu die Treppe.«
    »Hat sie vielleicht einen Schlüssel für die Firmenräume?«, fiel mir ein.
    »Weiß nicht.«
    »Dann frag sie doch mal!«
    Rocky trottete wieder zu der alten Frau hin.
    »Hat sie nicht«, sagte Rocky, als er zurückkam.
    »Schade.« Ich überlegte einen Moment. »Komm, wir setzen uns in die Tapa-Bar auf der anderen Seite und warten, bis der Mann kommt. Dann verfolgen wir ihn.«
    Gesagt, getan. Der Kellner staunte nicht schlecht, als er mich schon wieder sah. Und diesmal in Begleitung. Er grinste anzüglich. Vermutlich glaubte er, ich hätte jemanden aufgegabelt. Auch egal.
    Die Wartezeit wurde durch Rockys Anekdoten aus seinem jungen Leben verkürzt. Der Sozialismus in Polen habe die Menschen bis aufs Blut gepeinigt. Seine Mama sei sehr katholisch, der Vater abgehauen. Seine Lehre als Schlosser habe er hingeschmissen, dann hätte er die Reise nach Mallorca angetreten, dort unten Scheiß gebaut und ganz schnell ab in die Fremdenlegion. Rocky erzählte und erzählte, als wäre ein Teleprompter hinter meinem Kopf befestigt.
    »Da!« Ich hatte die Tür des grauen Hauses nicht aus den Augen gelassen.
    Der Mann war plötzlich aufgetaucht, ich hatte keine Ahnung woher. Rockys Geschichten hatten mich wohl einen Augenblick abgelenkt. Ohne nach rechts oder nach links zu blicken, steckte der Unbekannte den Schlüssel ins Schloss und verschwand im Flur. Die Tür fiel gemächlich zu.
    »Das ist der Kerl!« Ich war ganz sicher, auch wenn der Typ heute eine dunkle Jacke trug und keine grüne. Es war dieser energische Gang und die Art, wie er das dunkle Haar mit dem Unterarm aus dem Gesicht strich.
    »Was sollen wir tun?« Rocky war aufgeregt wie ein kleiner Junge.
    »Warten«, brummte ich. »Wenn er rauskommt, verfolgen wir ihn. Wir müssen seinen Namen wissen, wo er wohnt und mit wem er sich trifft.«
    »Wie im Film«, strahlte Rocky. »Das alles ist bombastisch!«
    »Wenn er nur die Post holt und durch die Hintertür verschwindet, sehen wir alt aus«, versuchte ich seinen Elan zu dämpfen.
    Wir hatten Glück. Der Mann brauchte nur eine Viertelstunde, um die Geschäfte der Firma Puerta del Sol zu erledigen.
    Ich schmiss einen Geldschein auf den Tisch, packte meine Tasche, zog den Sonnenhut in die Stirn und befahl: »Ab zum Auto!«
    Rocky

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