Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
Vom Netzwerk:
Ich ertastete Papier, war gerade dabei, es zwischen meine Fingerspitzen zu bekommen, als jemand einen Schlüssel in das Türschloss steckte.
    Erschreckt ließ ich die Briefkastenklappe fallen und versteckte mich hinter dem Treppenaufgang. Das war schwierig, denn hier lag allerhand Gerümpel. Mir war schummrig, mein Atem ging stoßweise.
    Ich sah nur den Rücken des Mannes, der ins Haus trat, zum Briefkasten ging und die Post herausholte.
    Als ich um die Ecke lugte, hatte er die Treppen nach oben bereits bestiegen. Seine Jacke war grün, das Haar dunkel, der Gang energisch.
    Mir fiel ein, dass der Barmann aus der Tapa-Bar etwas von einem Mann in einer grünen Jacke erzählt hatte, der das graue Haus ab und zu besuchte. Vielleicht aber waren grüne Herrenjacken in Toledo gerade in Mode.
    Es reichte mir für heute. Ich trat vorsichtig zwischen dem Gerümpel hervor und nahm den Weg, den ich gekommen war. Die alte Frau saß noch immer im verwilderten Nutzbeet.
    »Creo que me he equivocado de camino«, log ich. Die Alte nickte verständnisvoll. Ihr schien es plausibel zu sein, dass sich Touristen in Toledo manchmal verlaufen können.
    »Toledo està lleno de extranjeros«, rief sie mir nach, als ich das eine Bein bereits über der Mauer hatte.
    Mein Magen knurrte. Die Tapa-Bar war in der Nähe. Und ich hätte das graue Haus im Blick, könnte den Mann mit der grünen Jacke mit meinem Teleobjektiv sogar fotografieren, wenn ich mich einigermaßen geschickt anstellen würde.
    Die Plastikstühle standen noch immer vor dem Meson Las Tapas. Das Wiedererkennen ließ ein Gefühl der Geborgenheit in mir hochsteigen. Auch die Karte war noch dieselbe wie damals mit gebratenen Wachteln, Auberginen in Teig, eingelegten Champignons mit Knoblauch, gegrillten Gambas und anderen netten Schweinereien.
    Jetzt fehlt nur noch der Kellner mit den leidlichen Deutschkenntnissen, dachte ich.
    Und schon stand er vor mir. Ich orderte gebratene Tintenfischringe, gegrillte Gambaschwänze, Tomatensalat, Oliven, Auberginen in Teig und Rotwein.
    »Nehmen Sie den aus Valdepenas«, riet er, »der ist besonders gut.«
    »Ich weiß das«, entgegnete ich, »ich war vor ein paar Wochen schon einmal hier. Erinnern Sie sich an mich?«
    Der Kellner musterte mich. Dann erhellte ein Lächeln sein Gesicht. »Si, Señora. Damals haben Sie zuerst den Weißen probiert und dann den Roten. Warum sind Sie schon wieder nach Toledo gekommen?«
    »Ich habe hier noch etwas zu tun«, sagte ich. »Erinnern Sie sich, dass ich Sie damals nach dem Haus dort drüben gefragt habe?«
    Er nickte. »Sind Sie wegen des Hauses gekommen?«
    »Nein, natürlich nicht. Was sollte mich schon an einem verlassenen, verfallenen Haus interessieren?«
    »Ich weiß nicht, Señora«, gab der Barmann zur Antwort, »aber verlassen ist das Haus nicht. Da wohnt noch jemand.«
    »Meinen Sie die alte Frau?«
    »Ja. Und eine Firma hat dort ein Büro.«
    »Was ist das für eine Firma?«
    Er zuckte die Schultern. Seine Mitteilsamkeit war an ihrer Grenze angelangt.
    »Sie heißt Puerta del Sol «, versuchte ich es noch einmal, »sagt Ihnen der Name was?«
    »Dieser Name ist sehr bekannt in Toledo«, erklärte er, »die Puerta del Sol ist eines der Stadttore von Toledo.«
    »Aber die Firma kennen Sie nicht?«
    »No, Señora. Und jetzt will ich mich um Ihr Essen kümmern.«
    Etwa eine Stunde lang ließ ich es mir schmecken. Meine Fotokamera lag auf dem Stuhl neben mir. Ich hatte das Objektiv und die Entfernung bereits eingestellt, sodass ich nur noch auf den Auslöser drücken musste, wenn der »grüne Mann« im Türbogen erscheinen würde.
    Für alle Fälle hatte ich nach einem Viertel Vino tinto nur noch Wasser bestellt, um einen klaren Kopf zu behalten. Ich schaute auf die Uhr. Gleich sieben. Es dämmerte bereits, die Tage waren jetzt kürzer als bei meinem ersten Besuch in Toledo.
    Durch ein Fenster im dritten Stock schimmerte Licht. Ein leichter Wind kam auf. Mich fröstelte. Ich kramte ein großes Tuch aus meiner Tasche und legte es um meine Schultern.
    Da! Das Licht im dritten Stock erlosch. Ich griff zu der Kamera, fuhr den automatischen Blitz aus.
    Einige Augenblicke später öffnete jemand die Tür des grauen Hauses. Ein Mann trat auf die Straße, blieb einige Sekunden stehen, als wolle er prüfen, ob die Luft rein sei. Meine Hand griff die Kamera, hob sie kurz an, drückte den Auslöser. Der automatische Blitz tauchte die Szene in gleißende Helligkeit.
    Der Mann mit der grünen Jacke schien zu meinem

Weitere Kostenlose Bücher