Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
verätzte die Nasenschleimhaut mit den Ausdünstungen garantierter Pflanzenfarben aus dem Bayer-Werk in Leverkusen.
Ich trat ein, verlangte Tabibi junior zu sprechen, ich sei eine alte Bekannte. Auch im Ladeninneren hatte sich viel verändert. Weniger Gold, Silber und Schillerkram, viel weniger Teppiche, die dafür besser präsentiert wurden.
Ein Angestellter führte mich ins Büro des Chefs. Mamoud Tabibi thronte auf dem Sessel seines Vaters, vor dessen goldgerahmtem Porträt. Der junge Mann begrüßte mich freundlich und wies auf einen Sessel.
»Schön, Sie zu sehen, Frau Grappa. Sie erhalten in den nächsten Tagen das versprochene Geschenk«, begann er. »Den alten Sarugh – Sie erinnern sich? Sie haben den Mörder meines Vaters gefunden. Mustafa Rotberg.«
»Ich kann keinen Teppich gebrauchen, und ich will auch keinen«, wehrte ich ab.
»Warum sind Sie dann gekommen, Frau Grappa?«, fragte Mamoud Tabibi erstaunt.
»Bestimmt nicht, um den Teppich zu fordern!«
»Also – was wollen Sie?«
»Haben Sie Kossmann umgebracht? Weil Sie dachten, dass er der Mörder Ihres Vaters sei? Solo hat es behauptet – in seinen letzten Minuten.«
Mamoud Tabibi lachte. Das Lachen kam nicht zu den Augen.
»Haben Sie's getan?«, setzte ich nach.
»Erwarten Sie eine Antwort darauf?«
»Nein. Aber ich sage Ihnen, wie es war. Kossmann hat Ihren Vater nicht umgebracht – das war Solo. Sie aber haben Kossmann umgebracht – um Solo einen Gefallen zu tun, denn er brauchte ein Alibi.«
»Warum sollte ich Mustafa einen solchen Gefallen tun?«
Ich dachte an den millionenschweren Teppichhandel, der von Ali Tabibi allein beherrscht worden war. Mamoud Tabibi hatte den Ehrgeiz seines Vaters geerbt, doch nicht dessen Geduld.
»Solo hatte nur einen kleinen Grund, Ihren Vater umzubringen. Verschlossene Notausgänge, unbrauchbare Feuerlöscher. Sie, Herr Tabibi, haben die meisten Vorteile von seinem Tod.«
»Warum sollte ich meinen Vater umbringen lassen?« Tabibis Stimme war freundlich, die Augen hart.
» Eine Ära ging zu Ende ...« zitierte ich den Werbespruch des Hauses Tabibi. »Es war die Ära, die Ihr Vater verkörpert hat. Sie wollten ans Ruder.«
»Sie sind hysterisch, Frau Grappa.«
»Solo Rotberg und Sie kannten sich seit Jahren. Als er herausbekam, dass Ihr Vater für die Toten und Verletzten in der Diskothek mitverantwortlich war, hat er mit Ihnen darüber gesprochen. Rotberg hatte nichts mehr zu verlieren – so todkrank, wie er war. Er wollte den Geschwistern Geld und ein sorgenfreies Leben verschaffen, sich vorher aber noch an allen rächen. Das haben Sie einkalkuliert. Solo bringt also Ihren Vater um, Sie bringen im Gegenzug Kossmann um, verschaffen Rotberg auf diese Weise ein bombensicheres Alibi und helfen ihm, die vier Millionen zu verstecken. Finden Sie mich noch immer hysterisch?«
»Ich beleidige nicht gern eine Dame – aber Sie sind komplett verrückt.«
»Sie helfen Rotberg nicht nur bei der Übergabe der vier Millionen, sondern sorgen auch noch dafür, dass Leon und Lena Pirelli ins Ausland flüchten können. Solo erschießt sich, Ihr Plan geht auf. Ende der Geschichte. Niemand wird jemals die Wahrheit beweisen können. Jetzt sind Sie der Vorturner im Teppichparadies. Gute Story?«
Tabibi war während meiner Erzählung aufgestanden und hatte das Porträt seines Vaters angesehen.
»Mein Vater wollte schon seit Jahren kürzer treten«, erzählte Tabibi. Er stand mit dem Rücken zu mir. »Immer wieder schob er den Plan hinaus. Ich habe oft mit ihm darüber geredet, doch er wehrte ab.«
»Deshalb haben Sie nachgeholfen?«
»Vaters Geschäftspolitik war veraltet, seine Managementkenntnisse reichten zwar für einen Teheraner Teppichbasar, doch nicht für ein Unternehmen, das viele Millionen Mark Umsatz im Jahr macht. Und dann diese Schlagzeilen! Steuerhinterziehung, Betrug ... Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen in unserem Haus. Er wurde rechtskräftig verurteilt, doch er konnte nicht die Finger von den kleinen miesen Geschäften lassen. Er handelte nicht nur mit Teppichen, sondern mit allem, was aus dem Orient stammt und sich hier verkaufen lässt. Sein Führungsstil war autoritär. Seine Ära musste wirklich ein Ende haben – verstehen Sie das nicht?«
»Sie sind ein Mörder«, fasste ich zusammen.
»Haben Sie Beweise?«
»Nein.«
»Dann sollten Sie Ihre Meinung für sich behalten«, schlug er vor, »das gilt auch für künftige Zeitungsartikel. Es ist leicht für mich, Sie und Ihre Zeitung
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