Grappa 09 - Grappa-Baby
mich im Zimmer um. Wir hatten Libussa völlig vergessen. Die Blondine saß am Bett der Kranken, hatte deren Hand genommen und uns zugehört.
»Wer hat die Schwangerschaft eigentlich entdeckt?«, versuchte ich sachlich zu werden.
»Unser Oberarzt«, antwortete Berggrün. »Dr. Cornett tippte zunächst auf Verdauungsprobleme, weil der Unterleib der Patientin eine Schwellung aufwies. Doch dann wurde sie gynäkologisch untersucht. Die Schwangerschaft wurde eindeutig festgestellt.«
»Eine Vergewaltigung in Ihrer Klinik! Hat es so etwas schon mal in diesem Haus gegeben?«
»Natürlich nicht«, stellte Berggrün fest. »Wir alle waren und sind geschockt. Weibliche Koma-Patienten werden seitdem nur noch von weiblichem Personal betreut.«
»Und wie wollen Sie den Täter finden?«, mischte sich Liesel ein.
»Das ist Aufgabe der Polizei. Wir haben da kaum Möglichkeiten«, meinte der Arzt.
»Stellen Sie doch selbst Nachforschungen an«, schlug ich vor. »Sie haben doch die entsprechenden Laboreinrichtungen. Ich weiß, dass in Ihrem Haus Vaterschaftstests durchgeführt werden. Oder erstellen Sie einen genetischen Fingerabdruck und vergleichen Sie ihn mit den männlichen Personen, die Zutritt zu diesem Zimmer hatten.«
Berggrün seufzte tief, als habe er eine solche Frage schon zigmal beantwortet. »Natürlich kann man einen DNA-Test anfertigen. Dazu brauche ich aber eine Genehmigung.«
»Wie bitte?«
»Die Eltern der Patientin – sie haben die Vormundschaft – erlauben einen solchen Test nicht.«
»Und warum nicht?«
»Sie befürchten eine Schädigung des Fötus durch die Entnahme von Fruchtwasser. Außerdem wollen sie den genetischen Vater ihres Enkelkindes nicht kennen. Ich habe mich als Arzt an ihre Vorgaben zu halten.«
»Eine verzwickte Sache«, sagte ich. »Gut, dass wenigstens der Selbstmord von Frank Faber verhindert werden konnte. Was hatte es eigentlich mit diesen Rosen auf sich?«
»Welche Rosen?« Seine Ahnungslosigkeit schien nicht gespielt zu sein.
»Frank Faber hat mir erzählt, dass er gestern Nacht in diesem Zimmer hier Hunderte von Rosen gefunden hat. Sie sollen überall verteilt gewesen sein. Frau Faber hat nämlich heute Geburtstag.«
»Ich weiß von keinen Rosen.«
»Frank glaubt, der Vergewaltiger habe sie ins Zimmer geschmuggelt.«
»Undenkbar!« Berggrün schüttelte den Kopf. »Sie können aber gern die Schwestern fragen, Frau Grappa. Oder die Wachen vor der Tür.«
Ich wusste, dass ich mir das sparen konnte.
Berggrün begleitete uns nach draußen und verabschiedete sich. Ich sah ihm nach. Er war nicht unsympathisch, hatte mehr Tiefgang, als ich zunächst gedacht hatte.
»Ob sie was gespürt hat? Ob sie uns zugehört hat?« Liesel war von dem Besuch nicht unbeeindruckt geblieben.
»Keine Ahnung«, gab ich zu. »Ich will es aber nicht hoffen. Denn wenn sie uns gehört hat, dann hat sie auch genau mitbekommen, wie der Kerl sie missbraucht hat. Ich darf gar nicht daran denken!« Ich schüttelte mich vor Ekel.
Schweigend gingen wir eine Weile nebeneinander her.
»Ich muss dem Innenhof noch einen kleinen Besuch abstatten«, erklärte ich, als wir uns dem Ausgangsportal näherten.»Warten Sie auf mich?«
Liesel nickte, unsere Wege trennten sich. Der Ausgang zum Hof war nicht schwer zu finden, er war mit einem Schild markiert, auf dem Anlieferungen stand.
Schnell war ich durch die Tür, noch einen kleinen Gang runter und ein paar Treppen hinab.
Ich ging zügig zu den vier Containern, in denen der Bio-Müll lagerte. Sie waren mir bei einem Blick aus Kristin Fabers Zimmer aufgefallen. Die Luft war rein.
Ich öffnete einen Deckel nach dem anderen und guckte hinein. In den ersten beiden Tonnen lagen Küchenabfälle, alte Nelken, Rasenschnitt. Beim dritten Container wurde ich fündig. Massenweise dunkelrote Rosen verdursteten obenauf, manche schon geknickt und schlaff, andere noch frisch und wunderschön.
Verstohlen schaute ich zu den Fenstern auf. Niemand stand dort – oder, besser gesagt, fast niemand. In einem Fensterrahmen in der dritten Etage konnte ich einen weißen Kittel erkennen. Doch wer drinsteckte, das sah ich nicht, weil er sich schnell wegdrehte.
»Frank hat die Rosen gestern Nacht wirklich gesehen«, teilte ich Liesel mit, als ich das Foyer wieder erreicht hatte. »Jemand hat sie flugs weggeräumt. Fragt sich nur, warum.«
Wir gingen nach draußen. Liesel hatte in meinen Augen ein bisschen gewonnen. »Was machen Sie jetzt, Liesel? Kann ich Sie irgendwohin
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