Grappa 09 - Grappa-Baby
bisschen mehr. Er hat die Chance genutzt, ein Baby nach seinen Wünschen zu erschaffen.«
»Der Mann heißt Dr. Burger und nicht Dr. Frankenstein!«
Ich hörte ein Geräusch im Flur und wusste: Libussa rückte an. Sie schien bestens aufgelegt zu sein, denn sie trällerte ein Liedchen in einer Sprache, die ich nicht verstand. Wahrscheinlich Pimperanto.
»Hallo, Frank«, rief sie und stand schon im Zimmer.
Als sie mich erblickte, ließ sie vor Schreck die beiden Einkaufstüten fallen und erstarrte.
»Hallo, Libussa«, sagte ich. »Wie geht's, wie steht's?«
»Was wollen Sie hier?«
»Ich habe Ihren Bruder besucht. Er hat auf Nik geschossen, und ich wollte wissen, warum.«
»Stimmt das, Frank?«
Frank nickte stumm.
Libussa ging zu ihm, schlug ihn ins Gesicht und schrie: »Du verdammter Trottel!«
Frank hob die Hände schützend vors Gesicht.
»Keine Angst«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass Nik seinen alten Freund anzeigt. Und wenn doch, dann ...«
»... kriegt er den Beklopptenparagraf«, unterbrach sie mich grob. »Gucken Sie sich dieses elende Wrack da an.«
»Hau doch wieder ab, du verdammte Schlampe«, bäumte sich Frank auf. »Du gehst mir schon lange auf den Keks. Warum soll ich eigentlich darunter leiden, dass dein letzter Kerl dich mal wieder hochkant an die Luft gesetzt hat?«
»Hat er das?« Ich war interessiert.
»Und wie! Er hat sie mit einem Pferdepfleger im Stall überrascht und ihr mit der Peitsche eins übergezogen.«
»Halt die Klappe, Frank!«, kreischte Libussa und stürzte sich wieder auf ihn. Mit den Fäusten hämmerte sie auf seinem verwirrten Kopf herum.
Ich fand die starke Präsenz von brutaler Gewalt in der sich mir darbietenden Variante höchst amüsant.
»Dämliches Flittchen«, brüllte Frank. »Pack deine billigen Klamotten und verpiss dich! Ich will dich nie wieder sehen!«
Libussa ließ von ihm ab, warf sich auf den Boden und flennte, was das Zeug hielt. Bei Tränenausbrüchen stand sie ihrem Bruder in nichts nach.
Frank stand jetzt über ihr, in den Händen die beiden Plastiktüten. Er drehte sie um und schüttete den Inhalt über sie aus. Es war Kleidung, billige Klamotten, die wahrscheinlich irgendwelche armen philippinischen Kinder in stickigen Schuppen zusammengeschustert hatten.
»Nimm deine blöden Fetzen auch gleich mit«, schrie Frank. »Wird's bald!«
Libussa hatte inzwischen zu weinen aufgehört. Sie stand wieder auf den Beinen und raffte ihren Plunder vom Teppichboden auf. Zehn Minuten später hatte sie die Wohnung verlassen.
»Und jetzt?«, fragte ich. »Machst du dir keine Sorgen, wo sie bleibt? Sie ist doch immerhin deine Schwester.«
»Die kommt schon irgendwo unter«, meinte Frank ungerührt. »In ihrem Leben hat es immer gute und schlechte Zeiten gegeben. Jetzt ist sie wieder mittendrin in den schlechten. Die bekrabbelt sich schon wieder.«
Kein Zurück, kein Voran
Als ich Niks Zimmer auf der Intensivstation betrat, war es leer. Das Bett war abgezogen, ein Putzeimer stand auf dem Boden. Der Anblick traf mich wie ein Schlag. Ich stürzte nach draußen und fragte die erstbeste Schwester völlig fassungslos: »Wo ist er?«
»Wer?«
»Nik Kodil. Der Patient aus Zimmer 35.«
»Moment.«
Sie ging ins Schwesternzimmer. »Er ist verlegt worden«, meinte sie nach dem Studium einer Liste. »Dritte Etage, Zimmer 120.«
Nik saß fast aufrecht in seinem Bett, als ich in sein Zimmer kam. Die Farbe seines Gesichtes war normal, der Glanz seiner Augen jedoch noch leicht fiebrig.
»Hallo, Nik«, sagte ich mit belegter Stimme, »ich sehe, dass es dir sehr viel besser geht.«
»Hallo, Maria.« Sonst nannte er mich immer Grappa.
»Setz dich zu mir.« Er deutete auf eine freie Stelle auf seiner Matratze.
»Ich nehme lieber diesen Stuhl.«
Ein paar Sekunden lang schwiegen wir, die Stille lag wie ein Messer zwischen uns.
»Ich habe mit Frank gesprochen«, begann ich. »Er hat zugegeben, im Stadtpark auf dich geschossen zu haben. Eigentlich wollte er Cornett umbringen, weil er glaubte, dass der Kristin vergewaltigt hat. Schlagholz – das ist der Pfleger – hat ihm diese fixe Idee eingeredet.«
»Ich habe mir so was ähnliches gedacht, als ich in jener Nacht sein erschrecktes Gesicht sah«, sagte Nik. »Armer Frank.«
»Du brauchst kein Mitleid mit ihm zu haben«, wandte ich ein. »Er hat dich einfach so liegen lassen. Um ein Haar wärst du verblutet. Du solltest ihn anzeigen.«
»Das kann ich nicht tun. Er ist mein Freund.«
»Na, Klasse! Ein toller
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