Grappa 09 - Grappa-Baby
Stationspfleger – er heißt Schlagholz – hat Frank auf Cornett gehetzt. Er habe ihn angeblich mit heruntergelassenen Hosen an Kristins Krankenbett gesehen. Schlagholz soll Cornett deshalb sogar erpresst haben.«
»Dann wäre deine These mit der künstlichen Befruchtung ja hinfällig«, schloss Jansen messerscharf.
»Weißt du, was ich glaube? Hier will jemand die Vergewaltigungsthese auf jeden Fall aufrechterhalten. Denk mal an den Abschiedsbrief von Cornett.«
Jansen gähnte. »Es ist spät, Grappa. Noch ein schnelles Bier irgendwo?«
»Bier?«
»Für mich natürlich Wasser«, sagte Jansen schnell.
»Ich dachte, du hättest wieder ...«
»Hör auf, deine Stirn zu kräuseln«, forderte er. »Bei mir ist alles im grünen Bereich.«
»Das ist gut.«
Wir waren die letzten in der Redaktion. Das bedeutete, überall Lichter zu löschen, Computer auszustellen und in den Aschenbechern nach glimmenden Kippen zu schauen, die die herumliegenden Zeitungsstapel abbrennen konnten. Endlich schloss Jansen die Tür ab.
Die Kneipe nebenan bot an dem Abend Live-Musik – Jazz-Klassiker. Ich bestellte einen viertel Liter Edelzwicker und ein paar Tapas, die in diesem Szeneschuppen gerade ›in‹ waren. Jansen labte sich an einem prickelnden Mineralwasser. Er verzog das Gesicht dabei, und ich wusste, dass er an verbotene Genüsse dachte.
»Weißt du, Grappa«, sinnierte mein Chef. »Dieses ganze Theater ums Kinderkriegen finde ich zum Kotzen. Es gibt so viele Bälger auf der Welt, die niemand will, die auf den Straßen leben und dort verkommen. Warum werden die nicht flächendeckend auf die Leute verteilt, die unbedingt Kinder wollen?«
»Für manche zählen Kinder nur, wenn sie die eigenen edlen Gene in sich tragen. Eine Mischung aus Größenwahn und Eitelkeit.«
»Meine drei Jungs werden von mir genauso geliebt wie Beate, unser Adoptivkind«, sagte Jansen. »Weißt du noch, wie du Gerda und mir die Kleine angedreht hast?« Er lachte.
Natürlich wusste ich es. Beate, das zarte kleine Mädchen, das von seinen Eltern an fremde Männer verkauft worden war und das meine Freundin Laura hatte retten wollen. Laura wurde ermordet, und ich lernte Beate kennen. Das war jetzt vier Jahre her – Beate hatte sich zu einem flotten Teenager entwickelt, der neuerdings ein ganz natürliches Interesse für Jungs zeigte.
»Das war eine Story damals!«, rief ich aus. »Aber wir haben sie alle zur Strecke gebracht.«
»Und das Kind gerettet«, ergänzte Jansen. »Es war gut, dass du nicht lockergelassen hast, Grappa. Du hast ein großes Herz.«
»Danke«, sagte ich gerührt. »Das konnte ich gut brauchen. Ich habe heute schon gehört, dass ich brutal und egoistisch bin und noch so 'n paar nette Sachen.«
Die Jazz-Klänge kamen mir plötzlich traurig vor, der Edelzwicker schmeckte schal.
The same old story of a boy and a girl in love ...
Da war sie wieder – die Melodie jenes verdammten Abends.
Schonzeit
In den nächsten Tagen hatte ich keine Zeit, über meine verkorkste Beziehungskiste nachzudenken. Kristin Faber war nämlich spurlos verschwunden. Dass sich eine Komapatientin nicht von selbst auf die Socken gemacht haben konnte, war klar. Ich tippte sofort auf Burger. Er wollte das ungeborene Kind seiner Tochter wohl keinen weiteren Gefahren mehr aussetzen.
Wer entführte schwangere Koma-Patientin? – Chefarzt ratlos titelte ich.
Ratlos schien Dr. Frederik Berggrün wirklich zu sein, denn es war blankes Entsetzen in seiner Stimme, die durchs Telefon an mein interessiertes Ohr drang.
»Was war mit den Wachhunden vor Kristin Fabers Tür?«, fragte ich. »Haben die geschlafen?«
»In der Tat. Jemand hat ihnen ein Mittel in den Tee getan«, berichtete er.
»In welchen Tee?«
»Die Schwestern der Intensivstation haben die beiden jeden Tag mit Tee versorgt. Aber wie das Schlafmittel in die Tassen gekommen ist, weiß niemand.«
»Und? Haben die Schwestern wenigstens was bemerkt?«
»Nein. Die saßen im Schwesternzimmer und schliefen ebenfalls.«
»Tolle Sache«, bemerkte ich. »Eine Intensivstation im Tiefschlaf, voll mit Patienten, die zwischen Leben und Tod schweben.«
»Ich bitte Sie, Frau Grappa«, flehte Berggrün, »schreiben Sie das bloß nicht. Das ruiniert den Ruf unseres Krankenhauses!«
»Mag sein. Doch darauf kommt's nun auch nicht mehr an. Und was wahr ist, muss wahr bleiben«, blieb ich stur. »Haben Sie eigentlich mal bei Dr. Burger nachgefragt? Vielleicht steckt er hinter der Sache.«
»Warum sollte er? Er
Weitere Kostenlose Bücher