Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden
oder zwei?« Er kannte meine Vorliebe für Mandelhörnchen.
»Zwei«, bestellte ich.
Es klopfte, Blondie betrat das Zimmer. Sie war etwas derangiert, was ihr aber gut stand. Auf ihrem Haar lag ein feiner Schleier Staub aus dem Archivkeller, der hellblaue Lidschatten war verwischt und die Lippen hatten ihre normale Form angenommen, weil der Lippenstift sie nicht mehr unnötig vergrößerte.
»Und?«, fragte ich jovial. »Was gefunden, Nikoll?«
»Das war vielleicht eine Wühlerei«, maulte die Hospitantin.
»Vor den Ruhm haben die Götter den Schweiß gesetzt«, erklärte ich.
»Eher Staub, Dreck und Spinnweben«, konterte Nikoll überraschend schlagfertig. »Hier, das waren Schadewalds letzte Artikel!«
Sie legte mir ein paar Kopien auf den Schreibtisch.
»Gute Arbeit«, lobte ich. »Setzen Sie sich doch!« Ich wies auf den Besucherstuhl. Dann blätterte ich in den Artikeln, die Eberhards verflossenes Herrchen in seinem journalistischen Leben ›verbrochen‹ hatte.
»Huch!«, schrie Nikoll Sekunden später. Eberhard war auf ihren Schoß gesprungen und sah sie neugierig an.
»Wo kommt denn die Katze her?«, stammelte Nikoll.
»Das ist Eberhard«, stellte ich fest.
»Können Sie ihn nicht wegnehmen?«
»Warum?«, fragte ich streng. »Haben Sie was gegen Katzen?«
Eberhard hatte uns aufmerksam gelauscht: die Augen halb geschlossen, den dicken Katerkopf etwas schräg haltend.
»Ich habe eine Katzenallergie!«, flehte Nikoll.
Das ließ sich Eberhard nicht zweimal sagen. Er begann mit Inbrunst Nikolls Hand zu lecken.
»Bitte, Frau Grappa!« Es klang panisch.
»Komm mal her, mein süßer kleiner Kater«, sprach ich Eberhard eher halbherzig an. Der Kater reagierte nicht.
»Frau Grappa!«, flehte meine Auszubildende.
»Scheint so, dass er auf Blond steht«, erklärte ich ungerührt. »Wie alle Kerle. Ich weiß auch nicht, was zwischen euch gerade schief läuft.«
Nikoll versuchte ihre Hand wegzuziehen.
Eberhard hob die rechte Tatze – sie war weiß getupft –, fuhr die Krallen aus und langte zu. Am Unterarm der Blonden zeigten sich drei lang gezogene Kratzer. Nikoll sprang vor Schreck vom Stuhl, der Kater galoppierte unter den Schreibtisch.
Ich grinste. »Tut mir Leid. Eberhard ist sonst ganz lieb ...«
»So ein ekelhaftes Vieh!«, rief Nikoll mit Tränen in den Augen. Anklagend hielt sie den verletzten Arm hoch.
»Was ist denn hier los?«, fragte die Redaktionssekretärin, die ins Zimmer gerannt war – angelockt durch das Getöse.
»Herrje! Es ist alles in schönster Ordnung!«, schimpfte ich laut. »Ich muss mich konzentrieren! Alle Zweibeiner verlassen jetzt dieses Zimmer – und zwar pronto!«
Eine Stunde arbeitete ich hochkonzentriert, knusperte meine Mandelhörnchen, speicherte den Artikel ab und bat Peter Jansen, ihn gegenzulesen.
Eberhard störte mich nicht mehr. Nach Beendigung seiner Fressorgie – er hatte vier kleine Döschen verputzt – war er auf dem Besucherstuhl eingeschlafen: satt, zufrieden und eingerollt.
Todsünde: Völlerei
Leicht bekleidet, noch feucht vom Duschen, ungeschminkt und heiterer Stimmung saß ich am nächsten Morgen am Frühstückstisch. Vor mir Vollkornbrot, viel schwarzer Kaffee, Serrano-Schinken, Spiegelei und Jogurt – und neben mir Eberhard, der die erste Nacht in meiner Wohnung verbracht hatte.
Der Kater hatte sich sehr manierlich benommen, die Räume der Wohnung inspiziert, dem Balkon besondere Aufmerksamkeit gewidmet, um sich dann im Bad das provisorische Katzenklo zeigen zu lassen.
In der Nacht hatte er ein paar Mal gemaunzt, war aufs Bett gesprungen und hatte mich mit seinen Barthaaren im Gesicht gekitzelt. Morgens fand ich ihn in meinem Arm, den Kopf in meine Achselhöhle gedrückt, die Vorderpfötchen um meinen Unterarm geschlungen, schnurrend vor Glück.
Besser Eberhard als gar kein Mann, dachte ich, das Leben schenkt einem nicht immer die perfekten Lösungen.
Der Kater fixierte die Speisen auf dem Tisch mit unverhohlenem Interesse, besonders der Schinken hatte es ihm angetan.
»Vergiss es!«, riet ich ihm.
Ich überlegte, ob ich Eberhard eine Wurmkur verpassen sollte. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass fast alle frei laufenden Katzen mit Würmern verseucht seien, dass sie Schnupfen und Husten kriegen könnten und noch eine Palette weiterer netter Krankheiten.
»Ach was«, sagte ich. »Du riechst gut, dein Fell glänzt, du hast immer Hunger, deine Augen sind klar – also bist du gesund!«
Ich goss mir Kaffee ein, klappte die Zeitung
Weitere Kostenlose Bücher