Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden
gemacht haben.«
»Und jetzt fühlst du dich besser?«, fragte ich. »Nachdem du diese sieben Menschen getötet hast?«
»Es war nie mein Ziel, mich besser zu fühlen. Es ging mir um Rache. Um Gerechtigkeit nach den Auslegungen des Alten Testamentes. Ich musste mich mit etwas Sinnvollem beschäftigen, damit ich nicht wahnsinnig wurde in all den Jahren. Ich hatte damals den Plan, mit Luisa im Ausland zu verschwinden. Aber als ich alles organisiert hatte, war sie tot.«
»Was soll jetzt passieren?«
»Schreib die Geschichte zu Ende, Grappa«, forderte Mahler. »Mehr verlange ich nicht von dir.«
»Du weißt, dass die Polizei dich gnadenlos verfolgen wird?«, fragte ich.
Mahler lachte. Es war das Lachen eines Menschen, der mit sich und der Welt schon längst abgeschlossen hatte.
»Natürlich weiß ich das. Du wirst mir aber einen Vorsprung geben, nicht wahr? Um unserer alten Freundschaft willen?«
Erneute Flucht
Mahler und Großmann waren gegangen, Big Mäc und Kosmo konnten endlich ihr Versteck hinter dem Busch verlassen.
»Wahnsinnssache, das!«, begeisterte sich Big Mäc. »Wie im ganz großen Kino. Der Mörder am Grab seiner Lieben. Und ich hab alles im Kasten!«
»Was glaubst du, wird er tun?«, fragte Kosmo. »Wird er sich der Polizei stellen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Er wird verschwinden – glaube ich. Sich umbringen vielleicht.«
In der Redaktion wartete Peter Jansen bereits auf uns. Ich gab ihm einen kurzen Bericht unserer morgendlichen Aktion.
»Sehr gut«, lobte er. »Bis auf das Handygebimmel.«
»Kleiner Unfall«, räumte ich ein.
Wer hatte meine Tarnung auf dem Friedhof eigentlich so rüde durch einen Handy-Anruf auffliegen lassen? Ich hörte die Mailbox ab.
Es war Aydin, er hatte auf meine Mailbox gesprochen, um mir mitzuteilen, dass Eberhard schon wieder auf seinem Balkon gelandet war – es ihm aber den Umständen entsprechend gut ginge. Lediglich an einer Pfote habe er eine geringfügige Verletzung. Mir fiel ein, dass ich wieder mal vergessen hatte, das Fenster zu schließen.
»Wie viele Zeilen kriege ich?«, wollte ich von Peter Jansen wissen.
»Die üblichen hundert?«
»Diesmal brauche ich mehr«, sagte ich forsch. »Ich will zweihundert auf der Eins.«
»Ist okay. Kann ich sonst noch was für dich tun?«
»Jemand soll mir zwei Mandelhörnchen holen. Mein Blutzuckerspiegel ist im Keller.«
»Wird gemacht«, versprach er.
Ich ging in mein Zimmer, machte die üblichen Lockerungsübungen mit Händen und Armen, überlegte kurz und schrieb:
»GOTT HAT MICH ZERSTÜCKELT UND ZUNICHTE GEMACHT« – so die Überschrift.
In der Unterzeile hieß es:
Todsündenmorde aufgeklärt – Totgeglaubter Familienvater nimmt nach zwanzig Jahren Rache – Ein Exklusiv-Bericht von Maria Grappa.
Ich stoppte. Sollte ich den Bericht kühl und nachrichtlich verfassen oder Gefühle hineinlegen? Ich entschied mich für das Letztere – das passte auch zu den Fotos, die Big Mäc geschossen hatte: Mahler, close-up, mit gesenktem Kopf, und Mahler in einer Halbtotalen, wie er die Rose auf das Grab seiner Familie legt.
Ich begann zu schreiben:
Traurig steht ein großer Mann vor einem Grab auf dem Hauptfriedhof. Er blickt auf den schwarzen Granitstein und liest die Namen seiner Frau und seiner beiden Kinder – aber auch seinen eigenen ...
Großfahndung
Mein Artikel ging am nächsten Morgen ab wie eine Rakete, der freie Verkauf des Bierstädter Tageblattes war sensationell gut, denn der Verlag hatte die Mordgeschichte auf den Händlerschürzen angekündigt. Ich saß – erschöpft und ausgeschrieben – in der Redaktion und wusste nicht so recht, was ich mit mir anfangen sollte.
Das Telefon klingelte, es war der Oberstaatsanwalt. Guardinis Begeisterung über meinen Artikel hielt sich in Grenzen.
»Warum haben Sie mich nicht informiert?«, blaffte er mich an. »Jetzt ist Daniel über alle Berge.«
»Er lässt sich von Ihnen sowieso nicht einsperren«, weissagte ich.
»Wir haben eine Großfahndung eingeleitet. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich bei mir melden, wenn er Kontakt zu Ihnen aufnimmt.«
»Mache ich«, versprach ich, um ihn loszuwerden.
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wo er sich befinden könnte?«
»Nein, nicht die geringste!«
Langsam legte ich den Telefonhörer auf. Wo könnte Marius Daniel sein? Er hatte gesagt, dass er sich selbst bestrafen wolle – das klang nach Selbstmord.
Eine schreckliche Vorstellung. Aber lebenslanges Gefängnis mit anschließender Verwahrung in
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