Grappa 14 - Grappa im Netz
Kaligula.
Er hat meine Unsicherheit bestimmt bemerkt, dachte ich.
»Es ist schon Mittagszeit. Haben Sie Lust, mir beim Essen Gesellschaft zu leisten?«
Ich drehte mich zu ihm um, hatte mich wieder im Griff.
Kaligula lächelte. »Kennen Sie ein Restaurant in der Nähe, das Sie mögen?«
»Der Henker hat leider noch geschlossen um diese Zeit«, sagte ich. »Das wäre eigentlich das richtige Ambiente für uns gewesen. Aber wie wäre es mit einem Italiener?«
»Gute Idee.«
»Das Restaurant heißt leider nur Trattoria Catilina und nicht Caligula. Aber es gibt da eine Pizza Caligula. Stammen Sie eigentlich direkt von diesem gemütlichen römischen Kaiser ab?«
»Keine Ahnung«, grinste er, »ich bin ein Findelkind und wurde vor der Kirchenpforte abgelegt.«
»In Rom?«
»Nein. Leider nur in einem bayerischen Dorf mit fünf Kneipen, zwei Kirchen und drei Bauernhöfen.«
»Sie machen das ganze Bild kaputt, das ich von Ihnen entworfen habe!«, maulte ich.
»Geht es Ihnen besser, wenn ich Ihnen erzähle, dass Caligula weniger ein gemütlicher Kaiser, sondern eher ein ungemütlicher Massenmörder war?«
»Na, Gott sei Dank!«, seufzte ich erleichtert auf. »Ich mag geheimnisvolle Männer mit schrecklichen Geheimnissen und triebhaften Obsessionen – zumindest theoretisch. Und wenn ich die Chance kriege, die Geheimnisse zu lüften und an den Obsessionen teilzuhaben.«
Er schmunzelte.
Planvoll – Planlos
Wir warteten auf die Vorspeise und Kaligula hatte begonnen, mir Einblicke in sein aufregendes Leben zu geben. Hier gefiel er mir besser als in dem behelfsmäßig eingerichteten Büro im Polizeipräsidium. Merkwürdig, dachte ich, wenn mir dieser Mann auf der Straße begegnet wäre, ich hätte ihn wohl kaum beachtet, so wenig interessant wirkt er.
Aber er hat die richtige Mischung drauf, ein bisschen Charme, ein bisschen Geist, Humor und gutes Benehmen.
»Und? Wie kriegen Sie raus, was den Täter treibt? Sie können ihn ja nicht selbst fragen«, wollte ich wissen.
Inzwischen standen kleine Schälchen mit verschiedenen Antipasti vor uns. Kaligula reichte mir das Ciabatta.
»Wir kommen natürlich auch nicht ohne die übliche polizeiliche Routine aus«, erzählte er. »Damit meine ich die klassische Tatortanalyse, die Obduktion und eine Rekonstruktion des Tathergangs. Für mich sind verborgene Muster wichtig. Ist die Tötungsart immer die gleiche? Ähneln sich die Opfer in Alter, Aussehen und Geschlecht? Wo verschwinden die Ermordeten und wo werden sie gefunden?«
»Na ja, das ist ja in diesem Fall nicht so schwer«, meinte ich – mit ein paar eingelegten Tomaten kämpfend, die sich partout nicht aufspießen lassen wollten. »In allen Fällen hat die Täterin Gift benutzt, die Opfer waren alle Männer mittleren Alters und alle Opfer wurden in Hotelzimmern gefunden. Und: Die Mörderin lässt sie alle noch ein paar letzte Worte auf Band sprechen.«
»Richtig. Das sind wichtige Grundlagen zur Erstellung einer mentalen Landkarte, nach der der Mörder seine Taten vollbringt. Darf ich Ihnen noch einen Prosecco bestellen?«
»Nein«, winkte ich ab. »Wir bekommen ja gleich noch Wein zum Essen. Unter Serienkillern stellt man sich eigentlich jemanden vor, der psychisch gestört ist und nicht anders kann. Also jemand, der auf der Suche nach seinen Opfern nachts hechelnd durch die Stadt streift! Unsere Mörderin plant ihre Taten sehr genau. Sie scheint supercool zu sein.«
»Deshalb unterscheiden wir ja zwischen planvoll und planlos vorgehenden Tätern. Planende Täter töten meist Menschen, die sie sich vorher nach bestimmten Kriterien wie Alter, Aussehen oder Beruf ausgesucht haben. In unserem Fall sind es eben die gebundenen Männer, die im Internet Affären suchen. Der Täter ohne Plan trifft keine Auswahl, seine Überfälle sind ziemlich willkürlich und konkrete Vorstellungen von seinen Opfern hat er eigentlich auch nicht.«
»Dann haben wir es also mit einer planenden Mörderin zu tun«, schloss ich messerscharf.
»Eben. Und da wir das jetzt wissen, können wir auf Erfahrungswerte über die Persönlichkeitsstruktur solcher organized killers, die vom FBI entwickelt wurden, zurückgreifen. Unsere Mörderin hat demnach eine hohe Intelligenz, hohe Sozialkompetenz, geht einer regelmäßigen Arbeit nach, hat keine sexuellen Probleme, kontrolliert ihre Gefühle während des Verbrechens und lebt wahrscheinlich mit einem Partner zusammen. Sie ist mobil, hat also ein Auto, und verfolgt die Berichte über sich.«
»Das
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