Grappa 14 - Grappa im Netz
Nachfrage, Grappa-Baby. Und dir?«
»Auch gut. Ist alles so gelaufen, wie du es geplant hattest?«
»Ja, klar!« Er löste den Blick vom Geschriebenen und grinste mich an.
»Was heißt das?« Ich platzte fast vor Neugier.
»Ich hatte ein schönes, ruhiges Wochenende«, erklärte mein früherer Chef.
»Mann! Nun erzähl schon!«
»Was?«
»Das Abendessen bei der Hecke! Wie war es?«
»Harmonisch. Wir haben uns gut amüsiert. Und sie ist eine hervorragende Köchin.«
»Na toll! Peter! Nun lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!« Ich war genervt.
»Es war ein schönes Abendessen zu dritt!«
»Was? Wieso zu dritt?«
»Ada, Guido und ich.«
»Wer ist Guido?« Ich verstand nur Bahnhof.
»Guido Hecke. Ihr Sohn. Sechzehn Jahre alt. Netter Bursche!«
Jetzt war ich platt.
»Sie hat einen Sohn, Grappa!«, wiederholte Jansen. »Selbst geboren und von einem Mann empfangen, denke ich mal, falls wir eine Jungfernzeugung ausschließen. Wer, zum Teufel, hat dir eigentlich den Quatsch gesteckt, dass Ada auf Frauen steht? Als ich ihr erzählt habe, dass sie für lesbisch gehalten wird, hat sie schallend gelacht.«
Das war peinlich! Was hatte Barbara da nur geredet? Aber vielleicht lag Jansen ja auch falsch, denn es gab ja auch spät berufene Lesben und ein halbwüchsiger Sohn am Abendbrottisch bedeutete erst einmal recht wenig.
»Hast du denn wenigstens in ihren Bücherschrank geguckt?«, versuchte ich die Peinlichkeit zu überspielen. »Besitzt sie das Buch von Valerie Solanas?«
»Sie hat etwa zweitausend Bücher«, berichtete Jansen. »Ich hatte leider nur Zeit, die ersten fünfhundert durchzusehen. Weiter bin ich nicht gekommen. War's das jetzt, Grappa-Baby?« Der Hohn in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Reg dich ab«, meinte ich säuerlich. Mein Gefühl sagte mir, dass es besser war zu verschwinden, und ich folgte dem Ratschlag.
Wieder in meinem Büro angekommen, hatte die Sekretärin eine Nachricht von Hauptkommissar Brinkhoff entgegengenommen. Er hatte das Treffen mit dem Profiler schon arrangiert. Das war klasse und die Gelegenheit, die Programmkonferenz zu schwänzen, denn wenn ich pünktlich sein wollte, musste ich sofort los. Ich entschuldigte mich beim Chef vom Dienst für mein Fernbleiben und zog los.
Wenn der Mann einigermaßen kooperativ ist, dachte ich, kann ich einen spannenden Film über seine Arbeit drehen.
Das steinerne Denkmal der Exekutive lag wie ein schwerer, rotbrauner Klotz am Rand der Schnellstraße, die Bierstadt mit dem unbedeutenden Rest der Welt verband. Die vierspurige Strecke führte ins Münsterland, und wer in die andere Richtung fuhr, tauchte ins so genannte Revier ein – dort gingen die Städte übergangslos ineinander über und präsentierten die denkmalgeschützten Reste von Hütten und Zechen. Dazwischen die mehr oder weniger mutigen Versuche, den angesagten Strukturwandel durch Büropaläste aus Glas und Aluminium zumindest optisch nachzuweisen. Die Wirklichkeit sah jedoch anders aus: Viele Büroetagen standen leer, es mangelte an solventen Mietern.
Im Polizeipräsidium bemühte man sich um ein freundliches Ambiente. Unkaputtbare Grünpflanzen standen – in Tonkügelchen gesetzt – im Entree und hinter der schlag- und geschosssicheren Glasscheibe des Empfangs hockte ein braver Beamter, der während seiner letzten Dienstjahre vom Streifendienst verschont blieb. Er hatte nur einen Arm und ich überlegte, bei welcher Gelegenheit er ihn wohl verloren haben könnte. Jedenfalls kannte man mich hier und ich wurde gleich durchgewunken.
Brinkhoff saß in seinem Zimmer, die Möbel waren älter, als ich sie in Erinnerung hatte, und die Scheibe im Fenster hatte noch immer ihren Sprung in der Schüssel.
»Kommen Sie, bitte!«, meinte der Kommissar und schob mich gleich wieder zur Tür raus. »Wir haben Herrn Kaligula ein Büro unterm Dach eingerichtet.«
Brinkhoff klopfte und ein kräftiges »Herein« ertönte.
Der große Mann stand mit dem Rücken zu uns, drehte sich dann um. Brinkhoff stellte mich vor. Kaligula quetschte mir die Hand fast zu Brei und bat mich, Platz zu nehmen. Ich musterte ihn. Na ja, wie ein Mörderjäger aus amerikanischen Thrillern sah er nicht aus. Kaligula hatte das Gesicht eines typischen Intellektuellen, der sich lieber in Büchern vergrub, als auf die Jagd nach einer leibhaftigen Serienmörderin zu gehen. Wache Augen, farbloser Teint und leicht angestaubte Kleidung. Ein bisschen spannender hätte er schon aussehen dürfen.
»Sie sind
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