Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
ist in Brasilien eine große Nummer und nicht gewohnt, dass ihn jemand belehrt. Müssen Sie denn immer die Jeanne d'Arc der Pressefreiheit spielen?«
»Der Typ hat ein Problem mit selbstbewussten Frauen«, stellte ich fest. »Aber ich will ihm verzeihen. Im brasilianischen Karneval ist ja nur allzu gut zu beobachten, auf welche Werte Frauen reduziert werden: Titten, Arsch und Samba.«
Brinkhoff grinste und verabschiedete sich.
Pöppelbaum, der sich während des Schlagabtausches in Sicherheit gebracht hatte, näherte sich wieder.
»Was ist das denn für ein Kranker?«, fragte er.
»Gib mir die Fotos und halt den Mund, ja?«, sagte ich.
Fernsehen und Radio waren natürlich schneller als wir, denn die nächste Ausgabe des Tageblattes würde erst morgen erscheinen. Das Radio meldete den Leichenfund schon nach einer Stunde – ich hörte die Meldung in Harras' Corvette auf dem Weg in die Redaktion.
Das gerade zu Ende gegangene Fußballspiel hatte nur Platz zwei auf der Wichtigkeitsskala. Im Radio sprach der Reporter von einer fehlerhaften Grundeinstellung vieler Spieler und Trainer Heintje van Luttikhuizen entschuldigte die schlechte Leistung seiner Mannschaft so: »Psychisch sind die Spieler nicht in bester Verfassung – die Vorgänge um unseren Kameraden Toninho haben alle sehr belastet.«
Mein Handy klingelte. Ich fingerte danach und hätte die Karre fast gegen einen Bordstein gesetzt.
»Das mit deiner Mutter war ja wohl voll gelogen!«, hörte ich Harras toben.
»Tut mir leid. Der Bluthund hat mich alarmiert. Es ging um Toninho.«
»Und warum hast du mich nicht mitgenommen?«
»Ich weiß es nicht. Wir sehen uns gleich in der Redaktion. Dann kriegst du auch deinen Wagen wieder.« Und um etwas Nettes zu sagen, setzte ich nach: »Fährt übrigens gut, die Karre.«
Peter Jansen war schon seit Mittag in der Redaktion, um die Zeitung für den nächsten Tag fertig zu stellen. Er war ziemlich am Boden, der tragische Tod des besten Stürmers der Welt und das verlorene Spiel der Schwarz-Gelben gegen den Erzrivalen war zu viel für einen bekennenden Fußballfan. Auch Harras war nicht gut drauf. Er war noch sauer. In seinem Bart klebte etwas Gelbes.
»Gab's noch mehr zu essen?«, fragte ich.
»Wieso?«
»Da hängt was in deinem Gesicht. Ich tippe auf Rühr- oder Spiegelei. Passt farblich zum Pullover.«
Jansen grinste schräg.
»Langsam verstehe ich, was Jansen gemeint hat«, grummelte Harras.
»Was denn?« Ich blickte zu meinem Chef.
»Dass du über Leichen gehst, um deinen Willen zu bekommen.«
»Ich gehe nicht über Leichen«, korrigierte ich, »sondern zu Leichen.«
»Hört auf, ihr beiden«, mischte sich Jansen ein. »Wir haben eine Menge zu tun. Und ich muss sagen, dass mich der Leichenfund ziemlich mitgenommen hat.«
»Mich auch!«, echote Harras.
»Okay, Jungs. Dann will ich uns mal Kaffee kochen«, bot ich großzügig an. »Damit ihr zwei Hübschen wieder auf die Beine kommt. Die Welt ist trotz allem kein Jammertal und ein bisschen Dope bringt euch Schlaffis wieder nach vorn.«
»Was du so unter Dope verstehst«, murrte Harras. »Noch nicht mal rauchen darf ich hier.«
»Rauchen schon – nur ein- und ausatmen nicht.«
Ich verschwand in der Kaffeeküche. Der alte Filter hing noch in der Maschine und das Mehl darin hatte fast wieder die ursprüngliche Konsistenz. Während ich es trotzdem im Müll entsorgte und die Kaffeedose suchte, erklang die Redaktionsschelle. Das musste Pöppelbaum sein.
Er hatte mir die Diskette mit den Fotos vom Fundort zwar schon gegeben, ich hatte ihn aber gebeten, nochmal vorbeizukommen. Immerhin war er fast gleichzeitig mit der Polizei unter der Autobahnbrücke gewesen und hatte die ganze Aktion mitbekommen.
Ich schaufelte noch zwei weitere Messlöffel Kaffee in die Filtertüte.
»Hallo, Leute«, meinte Pöppelbaum cool. Und zu mir: »Grüß dich, Königin.«
»Hi, Bluthund«, entgegnete ich. »Alles im Lot?«
»Königin? Du bist ja richtig lieb zu Grappa«, wunderte sich Jansen.
»Er hat halt Benehmen«, sagte ich. »Manchmal schüttelt er auch sein Haar für mich.«
»Ihr seid alle doof«, brummte der Bluthund. »Ich wollte einer Dame gegenüber nur höflich sein.«
»Grappa ist keine Dame, Junge«, stellte Jansen richtig. »Hat dir das denn keiner gesagt?«
Der Kaffee war durchgelaufen. Ich holte für mich und Wayne eine Tasse, Jansen und Harras guckten verdutzt.
»So dämlich bin ich wirklich nicht, dass ich euch die Plörre auch noch bringe«, sagte
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