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Grappa 16 - Rote Karte für Grappa

Grappa 16 - Rote Karte für Grappa

Titel: Grappa 16 - Rote Karte für Grappa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Unsere Gedanken sind bei ihm.«
    Die Menschen verharrten mit gesenkten Köpfen in Stille, ein Akt von Solidarität und Mitgefühl.
    Nach der Minute forderte der Stadionsprecher die Fans auf, das Vereinslied der Schwarz-Gelben zu singen. Harras reichte mir einen der Zettel, die überall ausgelegen hatten. Darauf stand der Liedtext.
    »Sing mit, Grappa«, krächzte er. In seinen Augen waren Tränen. Auch mir war ganz klamm zu Mute.
    Musik ertönte aus den Lautsprechern, das riesige Stadion vibrierte unter den Wellen des Gesangs:
    Wir zieh'n vergnügt und froh dahin,
    schwarz-gelb ist unsere Tracht.
    Wir haben stets einen heiteren Sinn,
    sind lustig, nie verzagt.
    Wir kennen eine Feindschaft nicht,
    wir schaffen Hand in Hand.
    Stets ruhig Blut, ein froh' Gesicht
    ist jedem wohlbekannt.

    Wir halten fest und treu zusammen,
    Ball-Heil-schwarz-gelb-Hurra!
    Vor keinem Gegner wir verzagen,
    Ball-Heil-Hurra-Hurra!

    Solang' die Kehl' noch singen kann,
    soll klingen unser Lied.
    So lange, bis der letzte Mann
    noch einen Fußball spielt.
    Und sinkt auch einer in das Grab,
    der Mann kann untergeh'n,
    ein and'rer löst ihn sofort ab,
    Schwarz-Gelb bleibt immer steh'n.

    Wir halten fest und treu zusammen,
    Ball-Heil-schwarz-gelb-Hurra!
    Vor keinem Gegner wir verzagen,
    Ball-Heil-Hurra-Hurra!

    Und naht uns einst die letzte Stund',
    wo wir zusammensteh'n,
    dann wollen wir uns noch einmal
    fest in die Augen seh'n.
    Und ruft uns einst auch das Geschick
    wohl in ein fernes Land,
    dann schlingt sich stolz um uns're Brust
    das schwarz und gelbe Band.
    Das war eine bunte Mischung aus bräsigem Liedgut, schlichter Melodie und überholtem Männergetue! Doch das Massenerlebnis schlug mir voll in den Bauch: Es war ein schönes Gefühl, zu den Richtigen zu gehören!
    Nach dem Lied wärmten sich die Spieler noch etwas auf, ein riesiger runder Teppich mit dem Logo einer Billigfluglinie, der auf dem Spielfeld gelegen hatte, wurde eingerollt und die kleinen Jungen des schwarz-gelben Nachwuchses, die die Profispieler ins Stadion begleitet hatten, machten sich davon.
    Der Sprecher gab nach und nach die Aufstellung der Mannschaft durch, nannte von jedem Schwarz-Gelben nur den Vornamen und die Fans brüllten den Nachnamen. Schon bei diesem Test hätte ich gnadenlos versagt.
    Ich sah mich um. Zwei Reihen über Harras und mir saßen Erika Sauerwald und ihr Bruder.
    Ich schaute mir die Präsidentengattin genauer an. Sie kam mir ein wenig verändert vor, wesentlich aufgedonnerter als bei dem Besuch in meiner Wohnung. Ihr Blondhaar war üppig mit Haarteilen aufgepeppt worden, als sei Sissi aus dem Grab auferstanden.
    Ich nahm mir vor, mich auch in Zukunft von Haarteilen, experimentierfreudigen Friseusen und falschen Einflüsterungen fern zu halten.
    Don Prosecco hatte durch die kalte Luft eine normalere Gesichtsfarbe bekommen. Nun passte sie farblich zu seinem Anzug. Er saß mit versteinerter Miene neben seiner Schwester und schien sich für das Geschehen auf dem Platz nicht besonders zu interessieren.
    Das Spiel war inzwischen in vollem Gange. Die unterschiedlich gekleideten Männer beförderten den Ball von links nach rechts und wieder zurück. Meist machten sie das mit den Füßen, manchmal mit dem Kopf, auch mal mit der Hüfte, niemals aber mit den Händen.
    Oft verhakten sich Beine ineinander, prallten Oberkörper zusammen, wurden Ellenbogen in gegnerische Rippen gestoßen. Wenn sich ein Spieler gefährlich dem Tor näherte, wurde er umgestoßen oder jemand stellte ihm ein Bein.
    »Das heißt Foul, Grappa«, klärte mich Harras auf. »Und das davor war eine Blutgrätsche.«
    »Ist ja ganz schön heftig«, raunte ich. »Tun die sich nicht weh?«
    »Sicher«, antwortete er. »Aber das ist im Preis mit drin.«
    Ein Schwarz-Gelber kam dem blau-weiß bewachten Tor bedrohlich nahe. Es war die 17. Minute und der Treffer wurde ohne Gegenattacke versenkt. Geschrei, Applaus, Sprechchöre – das Stadion tobte.
    Besonders heftig ging es auf der Südtribüne zu. Eine Art Zeremonienmeister gab geheime Zeichen und alle machten die gleichen Bewegungen und skandierten Lieder. Harras umarmte mich, strahlte übers ganze Gesicht und drückte mir einen nasskalten Schmatzer auf die Wange.
    Doch die schwarz-gelbe Glückseligkeit hielt nicht lange an. Schon sechs Minuten später köpfte ein blau-weißer Typ den Ball in den schwarz-gelben Kasten. Wut, Enttäuschung und Schmährufe im Süden, Applaus und Gesänge im gegnerischen Fanblock. Eins zu eins in der

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