Grappa 17 - Grappa und die Nackenbeisser
für Sie tun, Chef?«
»Ja, die Tür schließen. Aber von außen.«
Stella schnappte nach Luft.
»Danke für den Kaffee«, sagte ich sanft.
»Bitte!« Sie dampfte ab.
»Sie ist ermordet worden«, nahm Jansen den Faden wieder auf.
»Lass uns doch mal abwarten, was die Obduktion ergibt. Die werden das schon rauskriegen.«
Jansen zog die Schublade seines Schreibtisches auf, holte ein Papier heraus und reichte es mir.
Auf dem Briefpapier prangte der Name Gerlinde Bomballa in goldenen Buchstaben. Der Text darunter war mit der Hand und blassblauer Tinte geschrieben. Die Tote hatte eine schnörkellose, gut lesbare Schrift gehabt.
Lieber Pit,
Du bist bestimmt überrascht, nach so langer Zeit von mir zu hören. Immerhin sind über vierzig Jahre vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Auch, wenn Du damals gesagt hast, dass Du mich nie wiedersehen willst, hoffe ich, dass die Wunden, die ich Dir schlug, inzwischen verheilt sind. Mein Leben war aufregend und anstrengend und ich habe mich entschlossen, nach Bierstadt zurückzukehren, um mich auszuruhen.
Ja, mein Lieber, auch ich bin älter geworden. Lilo ist müde.
Warum ich Dir das schreibe? Ich sehe Deinen skeptischen Blick vor mir, schon damals hast Du immer mehr gefragt als die anderen.
Ich sage es Dir so, wie es ist: Ich habe Angst und ich brauche deinen Rat. Nein, keine Tricks und kein doppelter Boden. Ich bin einer ungeheuerlichen Sache auf die Spur gekommen. Sag jetzt nicht, dass ich zur Polizei gehen soll, das tue ich auf keinen Fall. Die halten mich für wahnsinnig. Ich muss mit Dir reden.
Bitte! Tu mir den Gefallen – um der alten Zeiten willen, oder: trotz der alten Zeiten. Ich hatte keinen Mut, Dich anzurufen, deshalb schreibe ich diesen Brief.
Hilf mir, Pit! Ein letztes Mal.
Deine Lilo
Ich ließ den Brief sinken.
»Was hat sie denn Furchtbares entdeckt?«, fragte ich.
»Ich weiß es nicht, Grappa.« Jansen haute mit der Faust auf einen Zeitungsstapel.
»Du hast nicht mit ihr geredet?«
»Eben nicht.«
Ich schaute auf das Datum des Briefes. »Sie hat den Brief vor sechs Monaten geschrieben.«
»Ich weiß. Ich hab mich aber nicht gerührt.«
»Du hast sie hängen lassen?«, wunderte ich mich. »Das ist doch gar nicht deine Art. Peter – der immer Hilfreiche und Gute.«
»Tja. Diesmal nicht. Ich war immer wieder mal kurz davor, sie anzurufen oder ihr zu schreiben – hab's dann aber doch nicht gemacht.«
»Habt ihr eine Leiche in einem gemeinsamen Keller? Sie macht in dem Brief solche Andeutungen.«
»Ich war mal verliebt in sie und sie hat mich abblitzen lassen.«
»Kommt in den besten Familien vor«, sagte ich. »Und wie ging die Sache aus?«
»Gar nicht«, behauptete mein Chef. »Sie verführte mich und servierte mich dann ab. Aber das ist tausend Jahre her.«
»Sie hat sich also ganz anders verhalten, als die Protagonisten in ihren Trivialromanen. Die scheppern ja volle Pulle ins Happy End. Wie alt wart ihr damals?«
»Ich war achtzehn und sie sechzehn.«
»Euer erstes Mal«, tippte ich.
»Meins schon«, antwortete er. »Ihres bestimmt nicht.«
Ich unterdrückte einen Rülpser. Das Töttchen meldete sich.
»Grappa, was soll ich tun?«
»Erzähl den Bullen alles«, empfahl ich ihm. »Dir bleibt sowieso nichts anderes übrig, sonst kommst du in Teufels Küche.«
»Ja, du hast recht.« Es klang resigniert.
»Bleibst du an der Sache dran?«, fragte er.
»Ich soll beweisen, dass es Mord war?«
»Du sollst erst mal rauskriegen, vor was sie Angst hatte.«
»Es wäre einfacher gewesen, sie zu fragen, als sie noch lebte.«
»Natürlich. Hinterher ist jeder schlauer.«
»Ihr Männer seid ganz schön feige«, resümierte ich. »Immer sollen wir Frauen für euch die Kartoffeln aus dem Feuer holen.«
»Keine Verallgemeinerungen, du Kampfemanze«, brummte er. »Ich will, dass du an der Sache dranbleibst. Tu's mir zuliebe.«
Ich machte mich an die Arbeit und verfasste einen Artikel über den Tod der Autorin für die morgige Ausgabe. Die Pressestelle der Polizei bestätigte die Identität der im Haus gefundenen Leiche inzwischen offiziell.
Tod im Rabenhügel – titelte ich.
Lilo von Berghofen wurde gestern tot in ihrem Haus Rabenhügel im Stadtteil Berghofen gefunden. Die 59-jährige Autorin, Verfasserin vieler Bestsellerromane, hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Lilo von Berghofen, die eigentlich Gerlinde Bomballa hieß, war vor etwa einem Jahr in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Die genauen Umstände des Todes
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