Grappa dreht durch
Beispiel Rosi Ritzenbaum, die selbsternannte Mutter der Redaktion. Ständig hegt und pflegt sie. Besonders die eigenen Vorurteile. Sie ist gegen alles, was noch Leben in sich spürt. Auf der anderen Seite ist sie hinter jedem Kerl her, der nicht zurückzuckt, wenn sie ihm ihre rotlackierten Krallen auf den Hosenschlitz legt. Hat sie mal keinen Kerl, müssen wir dafür büßen. Dann quält sie uns mit diesen Erdnußkeksen, die hier überall rumstehen! Oder kauft wie verrückt Blumen, bis diese Redaktion aussieht wie ein Hundefriedhof.«
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Ich grinste. Das Mädchen landete Breitseiten.
»Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, Bettina! Wie lange arbeiten Sie denn schon hier?«
»Anderthalb Jahre. Genau achtzehn Monate zuviel. Aber bald habe ich es geschafft, und meine Ausbildung ist beendet.«
»Und dann? Werden Sie von Teleboss übernommen?«
»Du lieber Himmel!« Sie spielte Erschrecken. »Das wäre das Schlimmste, was mir passieren könnte! Nein, ich werde studieren. Irgend etwas Nettes und Unnützes. Orientalistik oder Sinologie. Der Fernsehjob ist ätzend. Jeder ist der Schönste, Größte und Beste. Und wer sich dem Spiel verweigert, der wird hinausgebissen.«
»Wie John Masul?«
»Ja. Wie John Masul!«
»Also hat seine Frau recht?«
Sie nickte, stand auf und wackelte zu den Schnittchen. Ihr Gang war sensationell. Lange kräftige Beine, die in Wildlederstiefeln steckten, federten jeden Schritt mit den Knien ab. Die Auf- und Abbewegung ließ ihren Busen wogen.
Elvis Wüstens Blick folgte ihr und vergrub sich unter dem Schlitz ihres schwarzen Minirocks. Sie tat, als würde sie ihn nicht bemerken, und kam zu mir zurück. Bevor sie sich wieder setzte, schaute sie ihn mit einem eisigen Blick an.
»Wichser!« zischte sie.
Wüstens Blick wurde unscharf, er wandte sich ab.
»Das hat gesessen!« lächelte ich. »In dieser Firma ist das Betriebsklima überaus herzlich. Ich freue mich richtig auf die nächsten Wochen. Was sagt denn der Boß zu dem Umgangston?«
»Er kann seine altersfleckigen Finger auch nicht bei sich behalten. Doch er macht‘s auf die väterliche Tour. Passen Sie auf, daß Sie nicht allein mit ihm im Zimmer sind.«
»Mir wird er schon nichts tun«, lachte ich, »und wenn, dann wird er sein blaues Wunder erleben. Grapschende Kerle sind mir ein Gräuel. Was treibt er sonst noch so?«
»Er hat zwei Pferde. Und fährt zur Großwildjagd. Namibia,
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Karpaten oder Kanada. Er knallt geschützte Tiere ab und bezahlt teuer dafür. Der Mann sieht sich als einsamen Beutejäger durch die Wälder ziehen. Sie müßten ihn mal seine Jagdabenteuer erzählen hören! Oder die Filme sehen, die er gedreht hat! Er hechtet in einem Tarnanzug hinter irgendeinem armen Vieh her. Ausgestattet mit einem Schießeisen mit Zielvorrichtung. Und die Kamera hält alles auf Film fest.«
»Alle Diktatoren lieben die Jagd. Vermutlich, weil man Menschen nicht ungehindert abknallen darf. Wie ist er sonst?«
»Ein alter gutmütiger Trottel - wenn er jemanden mag. Mich mag er, deshalb kann ich machen, was ich will.«
Die Maus weiß was vom Überleben, dachte ich. »Erzählen Sie mir von den anderen!« forderte ich sie auf. »Dieser Elvis Wüsten zum Beispiel. Er sieht sehr gut aus. Ich habe selten einen so schönen Mann gesehen!«
»Elster-Elvis - das ist sein Spitzname. Haben Sie ihn schon sprechen gehört?«
Ich nickte. »Kein schöner Ton fürs Ohr. Wie ist er sonst?«
»Blass. Eine Art überzüchteter Genießer. Trotz seiner Reibeisenstimme kommt er bei den Damen gut an. Erzählt er wenigstens. Er mag außerdem käuflichen Sex. Ist bei den Prostituierten in Bierstadt bekannt wie ein bunter Hund. Ich glaube, er steht auf Dominas. Aber - als Kameramann ist er einsame Spitze. Er hat ein geniales Auge. Kennt er die Vorstellung des Inhalts eines Films, dann findet er garantiert die passenden Bilder dazu. Ein Profi!«
»Und Mühlen? Wie ist seine Ehe?«
»Lebenslängliche Leibeigenschaft. Seine Frau läßt ihm absolut nichts durchgehen. Als er mal bei einem Betriebsfest an Rosi Ritzenbaum rumgefummelt hat, hat ihn seine Gattin mit der Handtasche verprügelt. Das hat die öde Fete damals richtig in Schwung gebracht. Da ging die Post ab!«
»Das wird seinen Haaren aber nicht gut getan haben!«
»Im Gegenteil! Er sah nie natürlicher aus.«
Bettina Blasius prustete los. Auch ich schmunzelte, als ich mir Mühlen mit wirrem Kopfputz vorstellte.
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»Wie ist Mühlen als Kollege?«
»Ein Opportunist. Vertrauen
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