Grappa dreht durch
zum Text und umgekehrt.
»Ich komme wieder, wenn das hier vorbei ist«, versprach ich, ich muß bald wieder vor meinem Schreibcomputer sitzen, kannenweise den Kaffee in mich hineingießen und mich über eure Machoallüren aufregen. Ach, wie war das schön!«
»Und warum bist du dann so plötzlich weggegangen?«
»Eine alte Schulfreundin hat mich um einen Gefallen gebe-ben. So hat alles angefangen.«
»Und? Konntest du ihr helfen?«
»Nein. Bisher habe ich noch überhaupt nichts erreicht. Ich weiß noch nicht einmal, ob der Mord an der Sekretärin etwas mit meiner Story zu tun hat. Ich weiß überhaupt nichts mehr!«
Er schaute mich sorgenvoll an. »Willst du die Sache nicht aufgeben?«
»Manchmal stehe ich kurz davor. Aber das geht nicht. Versprochen ist versprochen. Irgendwas in diesem verdammten Fernsehsender ist nicht koscher. Und der Mann meiner Freundin hat es gewußt und mußte deshalb sterben.«
»Du meinst den Selbstmörder, der sich vom Dach gestürzt hat?«
»Genau den.«
Jansen pfiff durch die Zähne. »Du glaubst also an Mord. Wo könnte das Motiv liegen?«
Ich ließ etwas Vanilleeis auf meiner Zunge schmelzen. Genau das ist es, dachte ich, wo liegen die Gründe für den Mord an Masul und den Mord an Ritzenbaum? »Du stellst wie immer überaus intelligente Fragen, Peter. Wenn ich das Motiv hätte, könnte ich den Mörder stellen. Ich stochere seit Wochen im Nebel herum.«
»Und wer wirft die Nebelkerzen?«
Ich seufzte. »Keine blasse Ahnung. Aber - eine kleine Spur gibt es vielleicht. Erinnerst du dich an den Mord an dem Callgirl Elvira G.?«
»Klar. Wir sprachen ja schon mal drüber. Die Sache hat ziemlich viel Wirbel gemacht. Ein gefundenes Fressen für die Blut-
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und-Sperma-Presse. Aber was hat das mit deiner Story zu tun?«
»Der angebliche Selbstmörder John Masul hat genau diese Zeitungsnotiz in seinem Bankschließfach aufbewahrt. Außerdem ist seine Tochter von Alfons Brokkoli entführt worden. Und der beherrscht die Bierstädter Prostitutionsszene. Die Entführer forderten eine Filmkassette für die Freilassung des Mädchens. Doch diesen Film habe ich leider noch nicht gefunden.«
»Und das Mädchen?« Jansen war ganz Ohr.
»Carola ist längst wieder frei. Bekannte von mir haben eine kleine Befreiungsaktion gestartet und durchgeführt.«
»Grappa! Hast du dich mit der Mafia eingelassen?«
»Das war doch dein Tip! Die Italiener haben das Mädchen im Morgengrauen aus Brokkolis Haus geholt.«
»Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt? Das wäre eine tolle Story für unser Blatt gewesen! Erzähl mir die Geschichte!«
»Nur, wenn du nichts darüber bringst!«
Er versprach es.
Endlich: Das eine Ende eines langen Fadens
Der Tod des Callgirls Elvira G. war fast vergessen. Alle, die ich fragte, verhielten sich so, als müsse eine Frau, die gegen Geld sexuelle Dienstleistungen anbietet, mit ihrer Ermordung rechnen.
Yvette, die Barfrau aus dem »Chez Chérie« wußte, daß Elvira wie viele andere aus Osteuropa gekommen war, um hier das schnelle Geld zu machen. Daß sich der in Aussicht gestellte Kellnerinnenjob als Prostitution entpuppte, wunderte weder Polizei noch die Mädchen selbst. Nur die ganz Naiven bekamen den großen Schock.
Die Mädchen aus Osteuropa gehörten zum Beritt von Alfons Brokkoli. Mit Zeitungsanzeigen lockte er sie nach Bier-
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stadt, brachte sie in Bars oder Saunas unter. Doch sein Geschäft hatte noch eine Variante: Er betrieb zusätzlich eine Partnervermittlung.
300 Polinnen warten auf einen deutschen Ehemann behaupteten die Anzeigen im Heiratsmarkt der bürgerlichen Tageszeitungen. Devote Thailänderinnen und willige Philippininnen standen seit der Öffnung der östlichen europäischen Grenzen nicht mehr so hoch im Kurs.
Der deutsche Mann, mental gebeutelt von Frauenemanzipation, männerfeindlichen Scheidungsgesetzen und Quotenregelung, reagierte. Er besorgte sich seine Gefährtin aus dem Osten.
Elvira G. war Brokkolis Mädchen gewesen. Und sie war an einen Freier geraten, der ausgerastet sein mußte. Ich mußte mehr über sie erfahren.
Carola Masul half mir weiter. Sie kannte die Ermordete.
»Wußtest du, daß dein Vater die Zeitungsnotiz über ihren Tod aufbewahrt hat?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihr blondes Haar war frisch gewaschen, die Haut hatte eine rosige Farbe und ihre Kleidung war einfach und sauber. Sie schien sich bei Bertha wohl zu fühlen.
Die alte Dame hatte ihre Zimmer gründlich von überflüssigem Nippes befreit und
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