Grappa und die keusche Braut
ausnutzen und vor allem respektieren, was immer Frau Grappa Ihnen zugesichert hat. Auf der anderen Seite scheint es Ihr vorderstes Interesse zu sein, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Ich sehe keinen Grund, der uns davon abhalten könnte, einfach vernünftig miteinander zu reden.«
Caroline schaute ihn mit ihren grünen Augen an und nickte. Die Krise schien überstanden.
»Ich möchte das hier als eine Art Hintergrundgespräch behandeln«, fuhr Kleist fort. »Es wird keine Vernehmung und es gibt kein Protokoll.«
Ich blickte ihn dankbar an. Er fing das auf und lächelte.
»Moment!« Er zog sein Handy aus dem Jackett und drückte eine Kurzwahltaste.
Ich sah Erschrecken in Caros Gesicht.
»Hier Kleist! Sie können die Fahndung nach Caroline von Fuchs abblasen. – Warum? Das erkläre ich Ihnen später. – Ja, es ist alles in Ordnung mit ihr.«
Caroline blickte zwischen uns hin und her. Dann sagte sie: »Wenn ich mich verscheißern wollte, würde ich es ungefähr so versuchen. Aber ich glaube, das wäre Ihnen jetzt zu aufwendig. Und ich möchte ja helfen, Herr Kleist. Oder vielmehr, Sie müssen mir helfen.«
Ich atmete auf. »Gut, es sieht so aus, als wäre es sinnvoll, dass wir uns einfach austauschen. Friedemann, ich nehme an, du warst von dem Artikel über das Video überrascht.«
»Ja, das wirft ein ganz neues Licht auf das Geschehen. Ihre Anschuldigung bei der Trauerfeier wird dadurch plausibel, Caroline.«
»Verhaften Sie die Lindenthal jetzt?«
»Nein, so einfach geht das nicht. Wenn Ihre Angaben zur Entstehung des Videos bestätigt werden, schwächt das zwar die Beweiskraft des Films. Der ist aber selbst nur ein Indiz. Eine solche Schwächung ist kein Gegenbeweis und schon gar kein Hinweis auf die Lehrerin als Täterin.«
»Patrick war es aber nicht«, beharrte Caroline. »Er würde niemals …«
»Moment«, unterbrach Kleist. »Lassen Sie mich meinen Gedanken zu Ende führen. Die Hauptfrage ist nun, wer geschossen hat. Und es ist Ihr Verdienst, dass diese Frage überhaupt gestellt wird. Ob es Patrick war, entscheidet sich aber nicht an den Umständen, unter denen das Video entstanden ist.«
Das gefiel Caroline gar nicht. »Ich weiß aber, dass er es nicht getan hat. Sie haben ja keine Ahnung.«
»Keine Ahnung wovon?«, fragte er.
»Die Lindenthal und Patrick …« Sie stockte.
Kleist warf mir einen überraschten Blick zu. Ich verdrehte die Augen.
»Was war mit den beiden?«, setzte er nach.
»Fragen Sie sie doch selbst«, stieß Caro trotzig aus.
»Das haben wir. Sie bezeichnete ihre Beziehung zu Patrick Sello als normal.«
»Normal?« Caro lachte bitter. »Sie hat ihm das Leben zur Hölle gemacht.«
»Das wäre ja ein weiterer Grund, warum er geschossen haben könnte«, wandte Kleist ein. »Die meisten sogenannten Amokläufer an Schulen wurden von ihren Lehrern gemobbt.«
»Es gibt da einen Chat«, mischte ich mich ein – Caro nicht aus den Augen lassend. »Und in dem Chat gibt es einen Raum mit dem Namen Philosophische Fragen. Da haben die Schüler von Schloss Waldenstein miteinander über ihre Probleme gesprochen.«
Kleist schaute verwundert. »Und warum haben die das nicht Auge um Auge gemacht?«
»Waldenstein ist zwar kein Gefängnis, aber ab 22 Uhr sollen wir auf unseren Zimmern sein«, erklärte Caro. »Tagsüber ist das Lernprogramm so straff organisiert, dass kaum Zeit zum Quatschen oder so bleibt. Deshalb reden wir abends über die Rechner miteinander. Das ist lustig, weil wir nicht immer sofort wissen, wer sich hinter welchem Nicknamen verbirgt.«
»Und was hat das mit Patrick Sello und der Lehrerin zu tun?«
»Die Lindenthal hat sich dort eingeschlichen und Kontakt zu Patrick gesucht. Das ist allerdings schon ein paar Monate her.«
Kleist schaute Caro verwirrt an. Hatte er Schwierigkeiten zu folgen? Ich grinste.
»Was wollte sie von ihm?«
»Sex.«
Caro hatte das entscheidende Wort gelassen ausgesprochen.
»Mhh«, machte Kleist.
»Ihr Nick lautete Venus «, erläuterte das Mädchen. »Das sagt ja wohl alles.«
»Die Göttin des erotischen Verlangens«, murmelte Kleist.
»Sie hat Patrick gnadenlos angebaggert«, fuhr Caro fort. »Er hat mir die Chats später gezeigt.«
»Wusste er, dass die Lindenthal dahintersteckte?«, fragte ich.
»Zuerst nicht. Er dachte, Venus sei eine Schülerin aus einer anderen Stufe. Und dann ist er der alten Kuh draufgekommen!«
»Wie das?«
»Ganz einfach: Sie haben sich getroffen. Patrick war
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