Grappa und die keusche Braut
üblen Intrigen und ehrenrührigen Anschuldigungen. Der Haftrichter entscheidet am Abend, ob Frau Lindenthal in Untersuchungshaft verbleiben wird.
Ich rief Friedemann Kleist an, um mehr zu erfahren, doch leider wimmelte er mich ab – er befinde sich in einer Besprechung.
Ich ergänzte meinen Artikel vom Mittag. Konnte der Film tatsächlich eine Fälschung sein? Lara Lindenthal war darauf zu sehen, eindeutig. Das füllige Haar, die Stimme. Wie kann man solche Filme fälschen? Aber schon einmal waren alle auf einen Film reingefallen: Patricks Geständnis im Internetportal. Vielleicht hatte die emsige Theater-AG in einem zweiten Fall ein bisschen geübt.
Auf dem Heimweg stoppte ich bei dem Lebensmittelhändler meines Vertrauens und erstand Hühnerbrust, Kohlrabi, Sellerie, Lauch, Fenchel, Zucchini, Möhren, Äpfel und getrocknete Aprikosen. Zwiebeln hatte ich ausreichend in meinem Vorratsschrank.
Zu Hause teilten Caro und ich uns das Schnippeln auf.
Zuerst tat ich die Stücke aus der Hühnerbrust in den Wok und briet sie schön braun. Dann gab ich sie auf einen Teller und warf das Gemüse in das Öl. Bald erfüllte trotz des Abzugs ein herrlicher Duft die Küche. Besonders die Zwiebeln taten ihr würziges Werk. Ich holte die Schälchen und die Stäbchen aus dem Schrank und deckte den Tisch. Nachdem auch das Fleisch wieder im Wok lag, löschte ich die Brutzelei mit einer thailändischen Chilisauce ab, schmeckte noch einmal ab und stellte die Pfanne auf den Tisch. Ein paar Scheiben Weißbrot ersetzten den Reis.
Caro kämpfte erst ein wenig mit den Stäbchen, aber bald balancierte sie alles unfallfrei in den Mund.
Nach dem Aufräumen gingen wir an meinen Rechner. Caro loggte sich bei ausstieg.de ein, meldete sich aber mit Paranoia an, dem Namen des toten Patrick Sello. Anschließend ›betrat‹ sie nicht den Raum Philosophische Fragen, sie landete irgendwo anders – sie war ganz allein in dem Chatraum, in der Anwesenheitsliste stand nur der Name Paranoia.
»Was machst du denn da?«, fragte ich.
»Ich will ein paar Dinge überprüfen«, antwortete Caro etwas abwesend und gab einen Befehl ein. Der Name Paranoia wechselte die Farbe von Blau zu Lila.
»So, jetzt bin ich Admin«, sagte Caro und tippte weiter. Es erschien die Personalseite von Nimmmich16.
Diese Seite verfügte über einige Felder mehr als die von Patrick, die ich schon gesehen hatte. Ich bemerkte eine Reihe von codierten Angaben. Caro sprach von Adressen und klickte auf das Feld. Eine Liste erschien. Ich blieb still, guckte zu und verstand nichts von dem, was da auf dem Bildschirm vorging. Caro wechselte zwischen Seiten hin und her. Plötzlich pfiff sie durch die Zähne.
»Was ist denn los?«, fragte ich.
»Moment noch«, wehrte sie ab und machte weiter.
Dann schloss sie alle Fenster, ließ den Rechner jedoch an.
»Man kann auf diesen Listen eine ganze Menge in Erfahrung bringen«, verriet sie geheimnisvoll.
»Caro! Nun rede doch bitte!«
»Ich habe mir angeguckt, welche Nutzer welche Rechner benutzt haben, um sich einzuloggen. Wenn ich es recht gesehen habe, hat Lerchenmüller den Chat nicht nur von seinem eigenen Rechner aus betreten, sondern auch von Laras Rechner aus. Und bei ihr ist es genauso.«
»Verstehe ich das richtig? Ein Admin kann sehen, von welchem Rechner aus sich jemand einloggt?«
»Ganz genau. Man hinterlässt breite Spuren im Netz.«
»Dann haben Lerchenmüller und Lindenthal sich gegenseitig besucht«, schloss ich.
»Genau. Sie haben gemeinsam an den Rechnern gesessen, wie wir jetzt auch. Das wollte ich wissen«, erklärte Caro. »Komm, Grappa, wir gucken noch mal bei den Philosophischen Fragen rein. Mal schauen, wer da und wie die Stimmung ist.«
»Als Keusche-Braut will ich aber nicht mehr, das war mir zu blöd, diese Angriffe.«
»Oh, dann spiel ich die Braut«, meinte Caro leichthin. »Ich brauche nur das Passwort.«
Ich nannte es ihr und sie loggte sich auch mit ihrem Rechner bei ausstieg.de ein.
Einige Minuten später hatten wir alles vorbereitet. Ich hatte mich neu angemeldet und einen wunderbar zu mir passenden Spitznamen gewählt: Tussi-de-Luxe. Als Caro ihn sah, kicherte sie.
Zugleich klickten wir auf Philosophische Fragen.
[Tussi-de-Luxe betritt den Raum]
[Keusche-Braut betritt den Raum]
Wurstbrot: oh neeeee, nicht die schon wieder
Tussi-de-Luxe: ich grüße mal in die ganze Runde
Keusche-Braut: Kusshand, Wurstbrot, ich liebe dich auch
RichterAdam: Guten Abend,
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