Grappa und die keusche Braut
sie lange und gleichmäßig.
In der Tür war ein Fenster, das sich nach einer Weile öffnete.
»Die Schule ist geschlossen«, sagte eine Männerstimme.
»Und die Schüler?«
»Die haben Ferien. Alle sind weg. Weitere Auskünfte erhalten Sie vom Stiftungsvorstand. Verlassen Sie bitte das Gelände.«
Das Türchen schloss sich.
»So weit waren wir auch schon, Grappa«, höhnte ein Kollege.
»Ein Versuch kostet ja nichts«, entgegnete ich.
»Da drüben tut sich was.« Wayne deutete auf eine Gruppe Männer, die aus einer Seitentür den Weg zum Nebengebäude nahm. Ich erkannte Friedemann Kleist und Abel Ritter, den Oberstaatsanwalt.
Die Fotografen blitzten, die Kameraleute hielten drauf und die Reporter stürzten sich auf die Beamten.
Ich blieb zurück und wählte Caros Nummer. Keine Antwort. Aber Brinkhoff ging ans Telefon. Er erklärte, dass er am Morgen vom stellvertretenden Internatsleiter nach Hause geschickt worden sei.
»Wo ist Caro?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und Lindenthal?«
»Grappa! Ich habe niemanden gesehen heute Morgen!«
Ich gesellte mich zu den Kollegen. Abel Ritter kündigte eine Pressemitteilung an und erwähnte eine Festnahme. Ich blickte zu Kleist. Seine Miene war sehr ernst. Was hatte das zu bedeuten?
»Wie ist Lerchenmüller gestorben, was war die Todesursache?«, fragte ich den Oberstaatsanwalt.
»Genaue Auskünfte können wir erst nach der Obduktion geben. Das wird gegen Abend sein. Das sagte ich Ihren Kollegen aber bereits, Frau Grappa!«
»Wer ist festgenommen worden?«, versuchte ich es weiter.
»Sie werden es zu gegebener Zeit erfahren.«
»Mann oder Frau?«, setzte ich nach.
»Ist das hier ein Quiz?«, fragte Ritter empört.
»Wohl kaum. Es gibt ja nur Fragen und keine Antworten!«
Kleist grinste leicht.
»So, jetzt entschuldigen Sie uns. Wir haben zu arbeiten.« Ritter wandte sich ab.
»Was glaubt der denn, was wir hier machen?«, meinte Pöppelbaum.
Auf dem Weg zur Redaktion machten wir im Schmitz-Bistro Mittagspause.
»Frau Grappa, wie isses?«
»Frau Schmitz, muss. Und selbst?«
»Muss. Und der junge Herr? Wie isses dem?«
»Wer mit der Grappa malocht, dem isses imma gut«, ruhrpöttlerte Pöppelbaum.
»Ich hab jetzt ’ne kleine Mittagskarte«, teilte die Bäckerin mit und reichte mir eine laminierte Pappe. »Hier isse. Guck doch mal rein, Frau Grappa.«
Ich las Chili con Carne , Pfefferpotthast, Erbseneintopf mit Bockwurst, Linsensuppe und Bauernfrühstück.
»Jeden Tag ein Stammgericht zum Dummpink-Preis von drei Euronen«, erläuterte Frau Schmitz. »Heute ist das Chili dran.«
»Dann nehm ich das.«
»Ich auch«, sagte Wayne.
Wir futterten. Frau Schmitz hatte sehr tief in die Chili-Kiste gegriffen. Nach zwei Minuten schnappte ich nach Luft. Pöppelbaum hielt länger durch.
»Und? Wie isses?« Frau Schmitz hatte sich vor uns aufgebaut, um unsere Mimik zu beobachten.
»Haut voll durch, Frau Schmitz«, keuchte ich.
»Zu stark, Frau Grappa?«, fragte sie scheinheilig.
»Bist du zu stark, Frau Schmitz«, hustete ich, »bin ich zu schwach.«
Inzwischen stand auch Pöppelbaum der Schweiß auf der Stirn.
»Frau Schmitz, mein Kompliment!«, stammelte er. »Jetzt weiß ich endlich, was ’ne scharfe Frau ist.«
»Na, na, junger Mann«, kicherte Frau Schmitz. »Nun übertreiben Se mal nicht.«
»Jetzt zum Löschen des Brandes noch vier Mandelhörnchen«, sagte ich. »Aber bitte einpacken, Frau Schmitz!«
»Geht klar, Frau Grappa! Noch ’nen schönen Tag wünsch ich dir.«
Am Nachmittag wurde die nächste Pressemitteilung herumgeschickt. Die Obduktion der Leiche Lerchenmüller hatte ergeben, dass er vergiftet worden war. Mit Rizin. Der Wirkstoff hatte sich in einer Praline befunden. Eine Schachtel mit weiteren Pralinen wurde in Lerchenmüllers Wohnung gefunden. Auch sie waren vergiftet.
Ich las weiter.
Im Zusammenhang mit dem Tod des 58-jährigen Wolfgang L. wurde Caroline von F. (17) festgenommen. Sie steht in dringendem Tatverdacht, dem Geschädigten die tödlichen Pralinen verabreicht zu haben.
Das war hart. Caro im Knast. Es wurde Zeit, mit Kleist zu sprechen.
»Frau Lindenthal belastet Caroline«, teilte mir Kleist am Telefon mit. »Sie hat gesehen, wie das Mädchen in Lerchenmüllers Wohnung gegangen ist – mit einer Pralinenschachtel in der Hand.«
»Und das glaubst du?« Ich fasste es nicht.
»Ich muss die Zeugenaussage von Frau Lindenthal erst einmal ernst nehmen«,
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