Grappa und die keusche Braut
antwortete er. »Im Zimmer des Mädchens haben wir Rizin gefunden. Und eine Schachtel mit den gleichen Pralinen.«
»Das wurde ihr alles untergeschoben!«, behauptete ich.
»Das kann gut sein. Aber die Faktenlage ist eben zurzeit so.«
»Und Caro lässt diese Sachen bei sich rumliegen, weil sie unbedingt will, dass sie verdächtigt wird«, höhnte ich. »Es kann doch nicht wahr sein, dass du auf so was reinfällst?«
»Maria! Beruhige dich, bitte.«
»Ich denke gar nicht daran!«, blaffte ich. »Was ist Rizin überhaupt?«
»Eines der wirksamsten Gifte, die es gibt«, antwortete Kleist. »Man kann es leicht aus den Bohnen der Rizinuspflanze gewinnen. Es wird sogar im Kriegswaffenkontrollgesetz erwähnt. Und es gibt kein Gegenmittel. Es zersetzt den Menschen von innen heraus. Die roten Blutkörperchen werden zerstört, die Zellen sterben ab.«
»Bitte? Rizinusöl nehmen doch die Menschen, die Verstopfung haben, oder irre ich mich?«
»Das Öl ist ungiftig. Der Wirkstoff ist nicht fettlöslich«, erklärte Kleist. »In der Praline waren achtzig Mikrogramm Rizin. Das reicht, um einen Ochsen niederzustrecken. Der Mörder wollte auf Nummer sicher gehen.«
»Ist das ein schlimmer Tod?«, fragte ich.
»Die Symptome sind normalerweise hohes Fieber, Übelkeit mit blutigem Erbrechen, blutiger Durchfall, Koliken und Herzprobleme. Der Todeskampf kann vier bis acht Stunden dauern. Bei Lerchenmüller ging es schneller. Er war schon vorbelastet mit einem Herzfehler.«
»Was sagt Caro?«
»Sie streitet alles ab. Das Rizin in ihrem Zimmer erklärt sie ähnlich wie du – es sei ihr untergeschoben worden. Und sie belastet die Lindenthal.«
»Und die streitet auch alles ab«, murmelte ich. »Das hatten wir schon. Wer hat Lerche gefunden?«
Kleist seufzte. »Ach, Maria.«
»Was?«
»Lass mich mal grundsätzlich etwas feststellen«, sagte er. »Wir beide sind Ermittler – also sind unsere Berufe ein wenig miteinander verwandt. Aber das Ziel unserer jeweiligen Ermittlungen ist anders. Du willst Auflage machen. Ich will Verbrechen aufklären und die Täter dem Richter zuführen. Dazu muss ich streng nach den Gesetzen vorgehen, sonst pflücken mich clevere Anwälte vor Gericht auseinander. Ich kann dir einfach nicht alles sagen, weil es weitere Ermittlungen behindern würde und die Gegenseite ihre Verteidigungsstrategie darauf abstellen würde. Außerdem ist ein Kriminalist, der einer Reporterin alles brühwarm erzählt, ein Unding. Eine Lachnummer. Eine Tratschtante.«
»Weißt du, was für mich ein Unding ist? Dass du ein siebzehnjähriges Mädchen in Untersuchungshaft steckst. Aufgrund der Beschuldigung einer Frau, die mehr als dubios ist.«
Er atmete tief durch. »Caro ist nicht in U-Haft. Wir haben sie nur aus dem Verkehr gezogen und in einer Pension untergebracht. Dem Gästehaus der Polizei. Sie steht unter Bewachung. Zu ihrem eigenen Schutz. Und jetzt wünsche ich dir noch einen schönen Tag.«
Er legte auf. Verdammt, dachte ich, das habe ich wieder wunderbar hingekriegt.
Bevor mich Liebeskummer umwerfen konnte, schickte ich das Wort Rizin in das Informationsnetz.
Jansen unterbrach meine Recherchen über das Gift. »Sechzig Zeilen?«
»Ja. Und ein Kasten mit Infos über Rizin. Wusstest du, dass an dieses Gift ganz leicht dranzukommen ist? Hier steht es.« Ich schaute auf den Monitor und las vor: » Rizin ist einer der giftigsten Eiweißstoffe, die in der Natur vorkommen. Gelangt das Gift in den menschlichen Organismus, so bringt es die kontaminierten Zellen zum Absterben. Für eine tödliche Vergiftung eines Erwachsenen genügen 0,25 Milligramm isoliertes Rizin oder zwei bis vier der Samenkörner. Da Rizin meist versehentlich durch den Verzehr von Rizinussamen aufgenommen wird, werden vor allem Zellen des Verdauungstraktes in Mitleidenschaft gezogen. Letztlich führt eine Vergiftung mit Rizin auch zu einer Zerstörung der roten Blutkörperchen. Der Tod erfolgt durch Lähmung medullärer Zentren, besonders des Atemzentrums. Nicht schön, oder?«
»Allerdings. So einen Tod wünscht man nur ausgesuchten Feinden«, stellte Jansen fest. »Aber die Infos zum Gift schenken wir uns lieber. Sonst sind morgen Abend alle Rizinuspflanzen im Verbreitungsgebiet des Tageblattes ausverkauft.«
»Rizin wird sogar von Geheimdiensten benutzt«, erzählte ich weiter. »Die Bulgaren haben sich da hervorgetan.«
Jansen hakte ein: »Ja, da war doch diese berühmte Schirmattacke wie bei Nick Knatterton.«
»Du
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