Grappa und die keusche Braut
kennst Nick Knatterton, den Kombinierer mit den Vorläufern der Bond-Waffen?«
»Ja klar, und das mit dem Schirm war irgendwie ganz außergewöhnlich. Eine Kugel mit Löchern, darin das Gift und über dem Gift ein Verschluss aus Zucker. Der löste sich im Opfer auf und gab das Gift frei.«
»Das klingt ja wirklich nach Fantasiekrimi. Wann war das noch? Ende der Siebziger?« Ich konnte mich nicht genau erinnern.
»Das ist sogar verfilmt worden«, stimmte Jansen zu. »Nun haben wir Rizin in einer Schokoladenkugel namens Praline. Und jetzt schreib dein Drehbuch, Grappa.«
Ich schaute in die Online-Ausgaben der Konkurrenz. Keine Überraschungen. Die BILD-Zeitung nannte Schloss Waldenstein inzwischen Internat des Todes.
Ob ich mit Caro sprechen konnte? Ich versuchte es auf dem Handy, vergebens. Auch bei ausstieg.de zeigte sie sich nicht. Vielleicht hatte man ihr Handy und Laptop weggenommen. Oder das Gästehaus der Polizei stand im Funkloch. Jetzt hatte ich drei meiner Informationsquellen verloren. Brinkhoff war nach Hause geschickt worden, Caro war in einer Art Schutzhaft und mit Kleist war ich zerstritten. Du bist ein echter Profi, Grappa, lobte ich mich.
Also schrieb ich nur das, was ich wusste.
Jansen segnete meinen Artikel ab.
»Was ist los? Du siehst ziemlich frustriert aus«, sagte mein Chef.
»Ich hasse alle Männer, außer dir.«
»Aha. Liebeskummer?«
»Quatsch. Ich doch nicht!«, behauptete ich.
Die Pension befand sich in der Nähe des Polizeipräsidiums – ein unscheinbares Haus, das nicht so wirkte, als würde die Ermittlungsbehörde hier ›Gäste‹ unterbringen. Es gab auch keine Hotelreklame, sondern eine normale Klingelleiste. Die Schildchen trugen fiktive Namen. Ich wusste noch aus Brinkhoffs Zeiten als Chef der Mordkommission, dass die Klingeln taub waren – bis auf die eine ganz unten.
Sollte ich mir noch schnell einen Trick ausdenken? Eine Geschichte erfinden? Nein, dazu war ich zu müde. Also die Wahrheit.
Ich drückte die Schelle.
»Ja, bitte?« Eine Männerstimme.
»Ich möchte zu einem Gast. Caroline von Fuchs.«
»Sind Sie Frau Grappa?«
»Allerdings«, bejahte ich verblüfft.
»Halten Sie Ihren Presseausweis oben links in die Kamera.«
Da war die Minikamera. Ich kramte den Ausweis hervor und hielt ihn Richtung Linse. Ein Zoom summte.
Ich wartete. Nach einer Weile wurde die Tür geöffnet und ich betrat einen Zwischenraum, der zum Flur mit einer speziellen Tür gesichert war. Die Außentür fiel ins Schloss.
»Moment«, tönte es aus einer Sprechanlage. »Ich bin gleich da.«
Ein uniformierter Polizist erschien. »Ich musste mich erst vergewissern, ob Sie auch allein sind.«
»Ich verstehe. Wieso wussten Sie, dass ich kommen würde?«
»Mitteilung aus dem Präsidium.«
»Von wem?« Ich dachte an Kleist und seine weise Voraussicht.
»Haben Sie denn keinen Antrag gestellt, Frau von Fuchs sehen zu dürfen?«, fragte der Bewacher.
»Doch, doch«, beeilte ich mich zu versichern. »Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass die polizeiinterne Kommunikation so schnell funktioniert. In welchem Zimmer ist das Mädchen?«
»Eine Etage höher. Zimmer 11. Ich lasse Sie hinein.«
Auch im ersten Stock sicherte eine Panzerglastür die Zimmerflucht. Der Beamte öffnete, klopfte und kündigte meinen Besuch an. Wenig später stand ich Caro gegenüber.
»Grappa!«, rief sie. »Ein Glück, dass du kommst.«
»Ich lass Sie dann mal allein«, sagte der Polizeischützer. »Wenn Sie gehen wollen, bitte die Klingel bedienen.«
Das Zimmer war zweckmäßig eingerichtet. Kleiderschrank, Bett, Tisch und zwei Stühle. Sogar Fernseher, Kühlschrank und zwei Kochplatten. Eine Tür führte in ein kleines Bad.
»Geil, was?«, meinte Caro. Ihre grünen Augen hatten den Glanz fast verloren. »Im Knast kann es kaum schlimmer sein.«
»Doch, kann und ist es«, meinte ich. »Und jetzt erzähl, was passiert ist.«
»Ich habe Lerche nicht gekillt. Das steht fest! Warum sollte ich das tun?«
»Weil er dich von der Schule werfen wollte?«, half ich ihr.
»Quatsch. Die Lindenthal war’s.«
»Und warum?«
»Vielleicht hat Lerche sie erpresst.«
»Und womit?«
»Sie hat ihm vielleicht gestanden, dass sie die Kursteilnehmer getötet hat. Vielleicht war er ja sogar Zeuge, wie sie geschossen hat. Was weiß ich … Und er wollte auspacken!«
Ich schüttelte den Kopf. »Ziemlich unwahrscheinlich. Falls Lerche von ihrer Schuld gewusst hätte, warum sollte
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