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Grappa Und Die Seelenfaenger

Titel: Grappa Und Die Seelenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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zugesetzt«, machte ich auf Mitleid.
    Eine Minute später hatte Sarah mir den zuletzt eingegangenen Leserbrief zugemailt. Auf den hatte ich gewartet.
     
    An das Tageblatt. Hallo, ich kam neulich zufällig an einer Kreuzung vorbei, an der ein kleines Mädchen totgefahren worden ist. Da standen noch einige Polizisten und Leute rum und alle waren geschockt. Dann kam ein Wagen angefahren und zwei Leute stiegen aus. Der jüngere von beiden hatte einen Koffer dabei und holte einen Teddy, Kerzen und ein Schild heraus. Das alles stellte er dort auf die Straße, wo der Unfall passiert ist. Der Typ zündete die Kerzen an und der andere machte Fotos. Am nächsten Tag sah ich die Bilder in Ihrer Zeitung. Darunter stand, dass Mitschüler des kleinen Mädchens die Sachen dorthin gelegt hätten. Verarschen Sie die Leser immer so? Was stimmt denn noch und was nicht? Auf eine Antwort bin ich gespannt, aber die kommt ja nicht, weil kritische Briefe bestimmt weggeschmissen werden. Ich glaub euch nix mehr. Verona Müller aus Bierstadt.
     
    Ich tippte die Überschrift Teddy am Unfallort über den Brief und formulierte eine Antwort an die Leserin.
     
    Stellungnahme der Redaktion: Das Foto mit dem Teddy, den Kerzen und dem Schild haben wir bewusst veröffentlicht, weil es Entsetzen und Betroffenheit über den tödlichen Unfall ausdrückt. Es soll nicht die Realität abbilden, sondern Emotionen stimulieren. Wir nennen das: Symbolfoto. Natürlich wollen wir die Leser damit nicht belügen, sondern der höheren Wahrheit der inneren Betroffenheit unserer Leser dienen. Ihre Redaktion.
     
    Ich setzte die Antwort unter den Leserbrief und wandte mich den anderen Anschreiben zu. Sie befassten sich mit verschiedenen Themen. Politik, Sport, Klatsch, Tratsch. Durchweg harmlos. Ich layoutete die Seite und schob den Teddy-Brief an eine prominente Stelle.
    Ob Schnack mich wohl noch einmal an die Leserbriefseite heranlassen würde?
    Natürlich hatte ich Gewissensbisse. Dreieinhalb Sekunden lang.
    Mein Handy klingelte. »Hast du Lust, heute Abend mit mir zu essen?«, fragte Friedemann Kleist.
    »Hmm …«, machte ich. »Gern. Soll ich etwas besorgen?«
    »Nein. Es wird Zeit, die kleine Küche einzuweihen. Ich koche im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten. Für drei Personen schaffe ich das schon. Bist du dabei?«
    »Dreiii Persooonen?«, dehnte ich.
    »Clara wird auch da sein. Ich habe dir doch von ihr erzählt.«
    »Nein, ich höre diesen Namen zum ersten Mal«, meinte ich trocken.

Kriegsähnliche Handlungen
    Kleist öffnete die Tür, umarmte und küsste mich brüderlich. In jeder Hand hielt ich eine Flasche Wein – Kleist hatte ja nie welchen da.
    »Hallöchen!« Eine Blondine kam auf uns zu. Sie trug Kleists Schürze mit der Aufschrift Ich lasse nichts anbrennen. Die Schürze, die sie ihm vor Jahren geschenkt hatte.
    »Hallo, Maria«, lispelte sie. »Friedemann hat mir ja so viel von Ihnen erzählt.«
    »Ich hoffe, nur Gutes«, meinte ich lahm, übersah ihre Hand und ging in die Küche. »Kann ich mal einen Korkenzieher haben?«
    Ich fand ihn ohne Hilfe und entkorkte die Flasche. Kleist und Clara beobachteten mich. »Wollen Sie auch ein Glas?«, fragte ich sie.
    »Nein, danke«, kicherte sie.
    »Aha. Habt ihr euch beim Entzug kennengelernt?«, erkundigte ich mich süffisant.
    »Das nicht«, entgegnete sie und band sich die Schürze ab. »Ich vertrage nur keinen Alkohol. Mir fehlt die Übung, verstehen Sie?«
    »Ist doch schön, was uns alles unterscheidet«, sagte ich und goss mir ein. »Ich bin da gut im Training. Wie gefällt es Ihnen denn in Bierstadt, Frau Billerbeck?«
    »Nennen Sie mich doch Clara.«
    »Gern. Und Sie dürfen Frau Grappa zu mir sagen.«
    Kleist verschwand – den Kopf leicht eingezogen – im Esszimmer. Ich folgte. Der Tisch war schön gedeckt, fast schon kitschig. Kerzen und künstliche Blumen lagen zwischen Tellern und Untersetzern und eine Räucherkerze schmauchte. Fast wie Weihnachten – allerdings war gerade Frühsommer.
    »Riecht nach Zitrone und Apfel«, schnüffelte ich. »Passt prima zu meinem Wein.«
    »Die Kerzen sollen lästige Insekten verscheuchen«, erklärte Clara mit unschuldigem Blick. »Marke Mückenschreck.«
    »Dann sollten wir die Wirkung mal ausprobieren«, konterte ich. »Setzen Sie sich doch am besten auf diesen Platz, Clara.«
    Ich deutete auf den Stuhl, in dessen Richtung die Rauchschwaden zogen.
    »Wir machen lieber das Fenster auf«, mischte sich Kleist ein. »Ein bisschen kühle und frische

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