Grappas Gespuer Fuer Schnee
zu, Jessica Brühl erwürgt zu haben. Die Tötung von Sandra Becker und Thomas Schulz stritt er nach wie vor vehement ab.
Ich schrieb eine kurze Nachricht für die Händlerschürzen, die noch am Abend an die Verkaufsstellen des Bierstädter Tageblattes verteilt wurden.
Mobby Madig gesteht Mord – so die Überschrift in fetten Lettern. Und darüber in kleiner Schrift: Morgen im Bierstädter Tageblatt.
Danach verwandelte ich die karge polizeiliche Mitteilung in einen Sechzigzeiler und reicherte den Text mit Fotos aus Madigs bewegtem politischem Leben an. Auf einem Foto war er beim Verteilen von Rosen zu sehen. Ich untertitelte: Für Mobby Madig wird es keine roten Rosen mehr regnen – er gab zu, Jessica B. erwürgt zu haben.
Dann noch ein Bild von Jessica B., das uns die Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt hatte.
DIE KOKSERIN AUS DEM OB-BÜRO: JESSICA B. ERPRESSTE SPD-PARTEICHEF MIT SEXFOTOS
Der Inhalt des Schließfaches in der Sparkasse Bierstadt ist brisant: Fotos, die den SPD-Politiker Mobby Madig (56) beim Schmuddelsex mit Prostituierten und beim Drogenkonsum zeigen. Weitere Fundstücke: Belege, die beweisen, dass das Honorar für die Damen aus der Stadtkasse bezahlt wurde. Das Schließfach war auf den Namen von Jessica B. angemietet worden. Die Polizei entdeckte den Schlüssel im Landhaus des Parteichefs im ostdeutschen Brandenburg und konnte ihn zunächst nicht zuordnen.
In einer ersten Vernehmung gab Mobby Madig zu, mit den Fotos erpresst worden zu sein. Bei einem Treffen mit Jessica B. in deren Wohnung sei es dann zu einem heftigen Streit gekommen, in dessen Verlauf der Politiker die ehemalige Stadtbedienstete erwürgte. Danach suchte er in der Wohnung nach den Fotos, fand sie aber nicht. Den Schlüssel für das Schließfach nahm er an sich.
»Ich wollte das alles nicht«, so Madig. »Aber sie hat mich bis aufs Blut gequält.«
Die Opferrolle nehmen ihm Polizei und Staatsanwaltschaft nicht ab. Sie glauben, dass Madig niemals die Absicht hatte, auf die Erpressung einzugehen. »Wir ermitteln wegen Mordes«, so Hauptkommissar Friedemann Kleist. »Herr Madig tötete aus niederen Beweggründen. Er sah seine politische Karriere in Gefahr. Frau B. hätte ihn immer wieder zur Kasse gebeten – und das wollte er verhindern.«
Ich kochte mir einen starken Kaffee. Irgendetwas passte mir an der Sache nicht. Hatten sich Sandra Becker und Jessica Brühl eigentlich gekannt? Gesehen hatten sie sich bestimmt, denn zwischen SPD-Fraktion und Oberbürgermeisterbüro besteht stets reger Kontakt. Wenn Madig Jessica Brühl wirklich im Streit erwürgt hatte, dann käme er in einem Gerichtsprozess vermutlich mit Totschlag davon. Bei den bestens geplanten Taten an dem Brautpaar wäre eine Verurteilung wegen Mordes unumgänglich. Gab Madig die Tötung der Jessica B. zu, um von dem Doppelmord abzulenken?
Mir schwirrte der Kopf. Der bringt doch nicht drei Menschen um, dachte ich. Und was war mit Aldwin von Elberberg? Hatte der Adelsspross Madig unterstützt? Er saß schließlich in dessen Parteibüro – sozusagen Tür an Tür mit ihm.
Wenn er Madigs Komplize sein sollte, warum hat ihn Madig nicht auch eliminiert? Und was für einen Sinn machte der Hinweis auf Marta Russo und den Mord ohne Motiv?
Ich kam mir vor wie eine Puzzlespielerin, die zu viele Teile unterbringen musste.
Vielleicht wusste Sandras Mutter, Waltraud Becker, wie eng der Kontakt zwischen ihrer Tochter und Jessica Brühl gewesen war – falls es überhaupt einen gegeben hatte. Doch sie meldete sich nicht am Telefon. Ich hinterließ mein Sprüchlein auf ihrem Anrufbeantworter.
Als ich den Weg nach Hause nahm, dämmerte es schon. Die weißen Händlerschürzen des Bierstädter Tageblattes waren bereits ausgeliefert und angebracht worden. Der Satz Mobby Madig gesteht Mord prangte hundertfach in der Stadt und begleitete mich bis fast vor die Haustür.
Wer kennt wen?
Frühstückszeit am Wochenende. Kleist hatte sich eingeladen und das bedeutete: frische Brötchen, viel Kaffee und ein freimütiges Gespräch. Während ich den Tisch deckte, las er meinen Artikel im Bierstädter Tageblatt. Wir agierten wie ein älteres Ehepaar: Sie macht sich in der Küche nützlich und er wendet sich dem Weltgeschehen zu.
»Wie kam es eigentlich zu Madigs plötzlichem Geständnis?«, fragte ich.
»Ich habe ihm damit gedroht, dich zu ihm zu lassen«, grinste Kleist. »Wenn das bei allen so klappen würde, bekämst du eine Festanstellung bei uns.«
»Aber nur mit
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