Grass, Guenter
seiet, tretet ein in die euch allen aufgethane halle eurer
angestammten, uralten spräche.«
Wer
aber waren die beiden Spinnen, deren Namen Jacob unterschlägt? Der eine,
Christian Friedrich Ludwig Wurm, wurde von Verteidigern der Grimmschen Methode
mit hämischen Hinweisen auf den Familiennamen abgefertigt; der andere, Daniel
Sanders, der waltendes Chaos und Willkür im Wörterbuch, dessen mangelnden
praktischen Nutzen und die zufälligen Funde planlos tätiger Exzerptoren
kritisiert hatte, war von weit mehr Gewicht und nicht einfach abzutun.
Er
stammte aus einer in Altstrelitz ansässigen jüdischen Familie, hatte Mathematik
und Philologie studiert und wurde Oberlehrer, dann Schulleiter der jüdischen
Freischule seines Geburtsortes. Jacobs Lobredner, der spätere Bearbeiter des
Wörterbuchs Karl Weigand, versuchte, dessen Kritik abzuwehren, indem er ihn als
mecklenburgischen Provinzler lächerlich machte, und obendrein sollte ihm der
Hinweis, Sanders sei Jude und deshalb nicht fähig, ein deutsches Wörterbuch zu
beurteilen, Gegenargumente ersparen.
Weigand
war erklärter Judenhasser. Jacob Grimm jedoch, der sich bis dahin von den
neuerlich lautwerdenden Schmähungen ferngehalten hatte, hätte dessen Beistand
ablehnen müssen, was er nicht tat. Er bestätigte sogar in einem Brief, Sanders
habe »ganz die jüdische frechheit und zudringlichkeit«. Und Hirzel gegenüber
versicherte er, nachdem sein Kritiker seinerseits die Herausgabe eines
Wörterbuchs angekündigt hatte, jener »sei ein Jude, so dasz er also ein
jüdischdeutsches wb. unternommen hat, was manches in seiner art und weise
erklärt«.
Dieses
mit Vorurteil bedachte Wörterbuch wurde späterhin populär, weil es von
praktischem Nutzen und ganz anderer Methode als das Grimmsche war.
Salomon
Hirzel hat auf Jacobs Brief nicht Antwort gegeben. Wäre er dazu bereit
gewesen, hätte er gekränkt, sogar mit Empörung reagieren müssen, denn der
Verleger entstammte einer schweizerisch-jüdischen Patrizierfamilie, was aus
nur zu vermutenden Gründen unter der Decke gehalten wurde aber im nächsten
Jahrhundert Folgen haben sollte.
Bis
zur Veröffentlichung des ersten Bandes riß der Briefwechsel zwischen den
Grimmbrüdern und dem Verleger nicht ab. In dessen Verlauf wird immer häufiger
der tüchtigste Verlagsmitarbeiter, Rudolf Hildebrand, erwähnt; und auch ich
will die eigensinnige Tätigkeit des Korrektors herausheben, zumal von ihm
später noch oft zu berichten sein wird.
Hirzel
schreibt: »Unser Corrector hat sich vor acht Tagen verlobt. Seine Braut ist
ohne Zweifel das allerliebste Mädchen, das er zu Anfang des Bogens 15 in das
Wörterbuch hinein zu bringen versuchte.« Damit will der Verleger, der übrigens
als Goethesammler und -kenner mit tausend und mehr Zitaten auf Belegzetteln zu
allen Buchstaben beigetragen hat, das Stichwort »allerliebst« betonen, dem Hildebrand
hinzugefügt hatte, daß es sich beim »allerliebsten Mädchen« um einen Superlativ
handle.
Im
Brief vom 5. April 1852 wird auch die Ankündigung des Wörterbuchs erwähnt, die
im März in leicht abweichenden Fassungen in mehreren Zeitungen gedruckt wurde.
Nach der Lobpreisung der Brüder Grimm stand zu lesen: »Die Verlagsbuchhandlung
hat dies ihrem Verlage gebührende Werk in würdiger Weise auszustatten gewußt.
Mit großem Geschick ist es, ohne Zuhülfenahme der störenden fetten Lettern,
durch Abwechselung von Capitälchen verschiedener Größe, von stehender und
liegender Schrift, gelungen, die größte Übersichtlichkeit über die
verschiedenen Theile eines jeden Artikels zu erreichen. Die ganze Auflage wird
auf starkem weißem geleimten Papiere in hoch 4. gedruckt...«
Im
folgenden Jahr geht es schon um den zweiten Band, den, wie längst versprochen,
Wilhelm besorgen wollte. Dennoch sind die meisten Verlegerbriefe an Jacob
gerichtet, der pünktlich antwortet, als es um den Buchstaben B geht: »ich frage
nach einem unanständigen wort, das man in den Wörterbüchern vergeblich sucht,
das aber im gröszten theile Deutschlands gilt.« Vom männlichen Samen und dessen
Ausschüttung heißt es: »der kalte bauer. der ausdruck findet sich bis in das
Elsasz, bis nach Steiermark...«
Hirzel
erinnert sich, im Berner Oberland von einem Onanie treibenden Mann gehört zu
haben, »er hat en ehalte Bur gemacht«. Doch in der entsprechenden Spalte zum
Stichwort Bauer findet sich nur anfangs, noch bevor vom Bauern als Landmann
Zitate sprechen, ein eher verschämter Fingerzeig auf
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