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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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gefunden. An Jahren Mitte vierzig, zählte er zu meiner,
der vielberufenen Luftwaffen- oder Flakhelfergeneration. Weil der Zeit voraus,
wurden seine Thesen zum »Ende des Wachstums« als Schwarzseherei abgetan; ein
Etikett, das vielen Propheten anklebt. Mir jedoch hätte es gefallen, unter
seiner Leitung über Jahre hinweg ein Entwicklungsprojekt zu begleiten,
praktisch tätig und zugleich darüber schreibend. Dazu kam es nicht. Also
versuchte ich es aus Eigenwillen. Doch so einleuchtend meine Idee zu sein
schien, schon eingangs war ihr das Scheitern eingeschrieben.
    Mein
Projekt sollte von den Gewerkschaften dreier, sich politisch unterschiedlich
definierender Länder getragen werden, von Westdeutschland, das in den Kalten
Krieg eingebunden war, von Schweden, das sich neutral stellte, und von
Jugoslawien, das als blockfrei gelten wollte. Ein mir befreundeter
Schriftsteller, Per Wästberg, griff meine Idee auf und gewann die Unterstützung
des schwedischen Gewerkschaftsbundes LO, wie ich beim westdeutschen Gewerkschaftsbund
Zustimmung fand. Finanzielle Zusagen von jeweils einer Million DM wurden
gemacht. Mit Wästberg reiste ich nach Belgrad, wo gleichfalls, wenn auch mit
weniger Geld, Beistand versprochen wurde.
    Ermutigt
von soviel erklärtem Willen, flogen wir nach Tansania, also dorthin, wo
kurzlebig die reichsdeutsche Kolonie Deutsch-Ostafrika Spuren hinterlassen
hatte. Wästberg war mir als Kenner der politischen Verhältnisse des Landes und
in den angrenzenden Staaten Kenia und Mosambik bekannt. Mit uns reiste Werner
Holzer, ein Journalist und leitender Redakteur der »Frankfurter Rundschau«,
aus dessen Buch »Das nackte Antlitz Afrikas« ich einige Erkenntnisse gewonnen
hatte und dessen Zeitung unser Projekt begleiten wollte.
    Während
der vorbereitenden Reisen und Begegnungen mit Experten war andauernd von
Entwicklung die Rede, zumeist von fehlender, von geplanter und von noch zu entwickelnden
sowie gescheiterten Entwicklungsprojekten, zudem von Entwicklungshelfern, die
schlecht vorbereitet in Entwicklungsländer geschickt worden waren und enttäuscht,
manchmal sogar als Rassisten zurückkehrten. Ich hingegen glaubte, gut
vorbereitet zu sein, was nur auf dem Papier stimmte.
    Als
wir in der Hauptstadt Daressalam über unseren Plan, demnach in einer
unterentwickelten Region die Herstellung landwirtschaftlicher Geräte, der Bau
einer Ziegelei und die Entwicklung von Lehrwerkstätten gefördert werden
sollten, mit Funktionären der tansanischen Einheitsgewerkschaft zu verhandeln
begannen, zeigte sich, daß deren Vorsitzender einzig die Finanzierung eines
mehrstöckigen, noch zu bauenden Gewerkschaftshauses begehrte, schließlich hartnäckig
forderte.
    Keine
unserer Gegenreden half oder war eindringlich genug. Selbst der Staatspräsident
Nyerere, ein verdienstvoller Mann, der sein Land aus dem englischen Kolonialreich
gelöst und in die Unabhängigkeit geführt hatte, erwies sich als machtlos
gegenüber der einzig auf Eigennutz fußenden Begehrlichkeit.
    So
scheiterte eine Idee, bevor sie sich entwickeln konnte. Zu gut schlecht
vorbereitet kamen wir mit nichts außer Reiseandenken zurück. Mangelnde
Eignung, erwiesenes Unvermögen hängen nach, und Erinnerungen an ein Gespräch
mit Nyerere, das uns Holzer ermöglicht hatte, sind geblieben.
    Vielleicht
um zu trösten, erzählte er von einem Großprojekt in der Kilimandscharo-Region
und berichtete mit leiser, aber nicht klagender Stimme über ein dort entstehendes,
von mehreren europäischen Ländern finanziertes Krankenhaus mit modernster
Innenausstattung, für dessen Unterhalt demnächst die Hälfte der staatlichen
Haushaltsmittel für Gesundheit gezahlt werden müßte. Ich hörte: für die
gleiche Summe, die die gewiß hochwertige Klinik verschlingen werde, habe er den
Bau einfacher medizinischer Stationen in allen Dörfern des Landes gewünscht,
sei aber bei den ehrenwerten Geldgebern gescheitert, weil man sich für etwas
beispiellos Vorzeigbares entschieden habe - unbedingt - und nicht für etwas,
das sich womöglich in Richtung kubanischer Verhältnisse entwickle.
    Julius
Nyerere lächelte, während er sprach. Später erzählte er von einstigen
Erfahrungen als Lehrer und bat mich, als wir gingen, Eppler zu grüßen.
     
    So
viel vergebliche Mühe, erbärmliches Versagen, aber auch zu leichtfertiges
Streben nach Erfolg und nachbleibende Enttäuschung. In Erinnerung sind mir
endlose Sisalfelder entlang der Küste und ein halbwegs gepflegter Friedhof

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