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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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Ferner findet sich im Buch
Hiob »gebunden mit stricken elendiglich«.
    Doch
nichts von dem Elend, das sich aus Armut ergibt, fand Einlaß. Keine Klage aus
gedrängt vollen Stuben, in denen der Hunger den Leinenwebern vier von zehn Kindern
genommen hatte.
    Man
schaute weg. Kein Wort über Hungerleider, wie sie bis heutzutage in Statistiken
und Elendsberichten Zukunft haben. Das Wegschauen hatte schon immer Methode,
weshalb dem Ego der Ismus erhalten geblieben ist und ein Buch, das ich
gemeinsam mit Daniela Dahn und Johano Strasser vor sieben Jahren unter dem
Titel »In einem reichen Land« herausgab, damit es von verbreiteter Kinderarmut
in Deutschland und dem kümmerlichen Dasein alter Menschen berichte, kein Echo
fand. Niemand wollte es so genau wissen. Eingeübt gab man sich cool oder
hechelte von einem in den nächsten Event. Von der sich unentwegt selbst feiernden
Spaßgesellschaft als »Sozialromantik« abgetan, blieb unser Buch unbeachtet.
Dabei nimmt das Elend weltweit zu.
     
    Aber
auch Jacob, der aus hessischer Erfahrung hätte wissen müssen, was Armut zur
Folge hat, ließ von dem Stichwort vorschnell ab, vielleicht weil ihm die
Wörtersuche zum Joch wurde. Oder weil Wilhelm nicht bereit war, ihn zu
entlasten. Mag sein, daß ihn zunehmende Erfahrung, bei allem Fleiß immer wieder
enttäuscht zu werden und die Erwartung, demnächst der Enttäuschung zu erliegen,
auf jenes weite Wortfeld geführt hat, auf dem die Silbe »ent« wie Brennesseln
gedeiht.
    Kaum
hat er es betreten, gräbt er nach Wurzeln: »diese untrennbare partikel hängt
nicht nur mit mehrern fremden, uralten partikeln, sondern auch noch lebendig
mit unserm ende zusammen.«
    Da
meldet es sich wiederum, das einen Schlußpunkt setzende Wort. Er schiebt es
zur Seite, bemängelt vorerst einführend in den Artikel ein »fehlerhaftes ent«,
das sich in »entzwei und entgegen eingedrängt« hat. An Stelle von »das fasz
enthält« hätte er lieber »das fasz hält zehn eimer«, weil »die einfachen verba
fühlbar sinnlicher sind«. Daraus schließt er: »mit dem ent tritt irgend eine
abstraction hinzu.«
    Weil
aber diese Silbe kein Ende absehen läßt, ist er gezwungen, entbehren,
entbieten, entblößen zu reihen. Das Kind entschläft. Die Flamme wird entzündet.
Jemand ist entgeistert. Doch hätte Jacob vorausahnen können, daß das Wort
entarten, belegt mit der Erklärung »aus der art schlagen« und dem
Klopstockzitat »entartet, Romulus enkel« und Schillers Frage »wenn die liebe
die nemliche ist, wie könnten ihre kinder entarten?«, bis in die nachwirkende
Jetztzeit hinein zum Unwort werden würde, weil es als »entartete Kunst« in
Verruf gebracht wurde?
    Dann
aber, nachdem er von entfleischen über entfremden auf alle Wortbildungen kommt,
die am entgegen kleben - entgegeneilen, entgegenhalten, bis hin zum Entgegenwurf
-, findet er den »entmenschenden menschen« bei Lohenstein, Voß und Platen und
stößt schließlich, noch bevor ihm nach dem Entsetzen mit entwischen nun doch
wieder das Ende nah ist, auf entwickeln und die Entwicklung, die er sogleich
mit Goethe feiert: »deutend entwickelt ich mich an dem erhabenen wort.«
    Weil
aber Jacob Grimm zeitgleich mit Charles Darwin, dessen epochales Buch Ȇber die
Entstehung der Arten« im Werden war, der Entstehung der Wörter nachspürte, kam
er nach Schillers Ausruf »mich schaudert, wie sich das entwickeln soll!« auf
die Entwickelungsbahn, den Entwickelungsgang und, dem Entstehen der Wörter
entsprechend, von Ulfilas über Fischart bis Lessing auf das
Entwickelungsgesetz.
    Diese
Wortfindung erlaubt mir, mich auf Dauer einer Episode von den Grimms zu
entfernen und von den beginnenden siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu
berichten, als ich mich entschloß, mein Steckenpferd, die Entwicklungspolitik
zu reiten.
     
    Nach
dem knappen Wahlsieg der Sozialdemokraten im Herbst neunundsechzig entstand
innerhalb der sozialliberalen Koalitionsregierung eine Behörde, die
kurzgebunden Entwicklungsministerium genannt wurde. Es sollte sich um wirtschaftliche
und soziale Entwicklung der, so hieß es, »unterentwickelten Länder der Dritten
Welt« kümmern. Der zuständige Minister Erhard Eppler, Schwabe von Geblüt, war
aus christlicher Verantwortung tätig und deshalb ein Sozialdemokrat besonderer
Art.
    Als
erster hatte er das Thema Entwicklungspolitik zukunftsweisend in den Wahlkampf
getragen und bei jungen Wählern, die vom internen Dauerstreit der Achtundsechziger
ermüdet waren, Gehör

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